: Deutschland „irrelevant“
Kanzler: Rumsfelds Worte „polemisch“, US-Botschafter erklärt deutsche Position in Irak-Frage für nicht relevant
BERLIN afp/dpa/epd ■ Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat die Vorwürfe von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld gegen Deutschland und Frankreich als Vertreter eines „alten Europas“ als „polemisch“ bezeichnet. Paris und Berlin hätten gemeinsame Wertvorstellungen, die sich auch in der amerikanischen Verfassung niederschlügen, sagte Schröder.
Der US-Botschafter in Deutschland Daniel Coats bezeichnete Rumfsfelds Äußerungen als „Ausrutscher“. Die Haltung Frankreichs habe die US-Regierung schwer enttäuscht, sagte Coats. „Deutschland ist nicht relevant bei der Frage“, fügte Coats hinzu.
Bundespräsident Johannes Rau sieht das deutsch-amerikanische Verhältnis nicht nachhaltig gestört. Die Verbindungen zwischen dem amerikanischen und dem deutschen Volk seien „so eng und vertrauensvoll“, dass „störende Worte“ dies nur einschränken, aber nicht die Substanz treffen könnten. Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) hatte zuvor in Istanbul an Rumsfelds Adresse gesagt: „Cool down.“ Nach Ansicht von Grünen-Chefin Angelika Beer spiegelt sich in der Kritik des US-Verteidigungsministers die große Widerstandskraft Europas gegen die Irakpolitik der USA wider. „Als Grüne bedanken wir uns bei Donald Rumsfeld für seine pünktliche Gratulation zum 40. Jahrestag der deutsch-französischen Freundschaft.“ Deren friedenserhaltende Bedeutung habe er mit seiner „wundervollen Bemerkung eindrucksvoll unterstrichen“, erklärte Beer.
Nach dem Schulterschluss mit Frankreich sucht Deutschland jetzt eine enge Abstimmung auch mit Russland. Bundeskanzler Schröder telefonierte gestern mit dem russischen Präsidenten Putin. Beide seien sich einig, dass den UN-Waffeninspektoren im Irak die notwendige Zeit eingeräumt werden müsse, teilte Regierungsprecher Anda mit.
Nach der katholischen Bischofskonferenz erteilte auch der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) einem Angriff auf den Irak eine entschiedene Absage. Beim gegenwärtigen Sachstand werde ein Krieg „aus ethischen wie aus völkerrechtlichen Gründen“ abgelehnt, hieß es in der EKD-Erklärung. Die UN-Charta verpflichte ihre Mitgliedstaaten dazu, ihre Konflikte friedlich beizulegen.
Gemeinsamer Appell aus Paris und Berlin gegen Krieg
Auch französische und deutsche Intellektuelle appellieren gegen einen möglichen Krieg. In der Heidelberger Erklärung warnen sie davor, Krieg als Mittel der Politik zu legalisieren. „Nichts rechtfertigt einen Präventivschlag gegen ein Land, dessen Bevölkerung unter einer menschenverachtenden Diktatur und immer noch unter den Folgen des letzten Golfkriegs leidet.“ Die Resolution unterzeichneten u. a. Günter Grass, Peter Härtling und Christa Wolf.
Seit Freitag ist die Bundeswehr im Einsatz, um die US-Kasernen in Deutschland zu bewachen. Unter den rund 2.600 eingesetzten Soldaten sind auch Wehrpflichtige, hieß es aus dem Verteidigungsministerium. Der Bundeskanzler hatte den USA bereits Ende November zugesagt, ihre 95 Kasernen und Einrichtungen in Deutschland vor möglichen Terroranschlägen zu schützen.