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Archiv-Artikel

Polit-Profis setzen sich durch

Ganz ohne offenes Flügelschlagen stellen die Bremer Grünen ihre Liste für die Bürgerschaftswahl im Mai auf. Erstmals seit 20 Jahren erobert eine Frau einen „Männerplatz“. Aber weiter unten fehlt es an weiblichem Nachwuchs

Wer hätte das gedacht: Die Grünen küren ihre Kandidaten ganz ohne Turbulenzen, in Rekordzeit. Selbst die allfällige Geschäftsordnungsdebatte ist in ein paar Minuten erledigt. Und der bevorstehende Krieg, vor der letzen Bürgerschaftswahl fast ein Spaltungsgrund, wurde nur zweimal kurz erwähnt.

Karoline Linnert hatte am Samstag leichtes Spiel: Ohne Gegner kandidierte sie ganz oben auf der Wahlliste der Grünen für die Bürgerschaftswahl im Mai. Da konnte sie locker behaupten, die Grünen hätten als alleinige Opposition „Selbstbewusstsein getankt“; die große Koalition habe sich in „Größenwahn und Schönrednerei“ verbraucht. Und sie wagte einen Schritt nach vorn: „Euer Vertrauen muss belastbar sein“, forderte die Fraktions-Chefin. „Ich werde das nur tun, wenn ich den Eindruck habe, dass ihr wirklich zu mir steht.“ War das schon die Bewerbung um ein Senatorenamt, in dem sie manche unpopuläre Entscheidung zu vertreten hätte? Mit dem Ergebnis konnte Linnert mehr als zufrieden sein: 84 Prozent der Anwesenden wollten, dass sie die Partei zur Wahl führt.

Weniger nach Plan lief es für Parteichef Klaus Möhle, der mit Linnert eine Wahlkampf-Doppelspitze bilden wollte und mit dem Amt des Satdtentwicklungssenators in einer eventuellen Rot-Grünen Koalition liebäugelt. Aber den Kampf um den zweiten Listenplatz verlor er gegen den Innenpolitiker Matthias Güldner mit 46 zu 67 Stimmen. Auf dem dritten Platz setzte sich eine Ex-Senatorin durch: Helga Trüpel musste der Partei zwar erklären, warum sie nach vier Legislaturperioden als Berufspolitikerin immer noch nicht „abgenutzt“ ist. Mit 67 zu 49 Stimmen behielt sie die Oberhand gegen Umweltpolitikerin Karin Mathes.

Die hatte die Flucht nach oben versucht, als sich abzeichnete, dass drei Frauen aus der aktuellen Fraktion um Platz fünf konkurrieren würden. Mathes scheiterte, obwohl durch ihren mitgliederstarken Ortsverein Schwachhausen/Horn-Lehe/Borgfeld mit der größten Hausmacht vor Ort versehen. Danach versuchte sie es auf dem traditionellen „Männerplatz“ vier. Aber im „Duell der Verlierer“ setzte sich schließlich Möhle knapp durch, nachdem er gedroht hatte: „Ich kann den Wahlkampf als Landesvorstandssprecher natürlich nur bestreiten, wenn ich eure Unterstützung habe.“ Mathes musste darauf ihrerseits mit Verzicht drohen, falls sie weiter durchgereicht würde. In der Stichwahl um Platz fünf schlug sie schließlich Fraktionskollegin Anja Stahmann. Die hielt sich dann an der Männerriege schadlos, die um Platz sechs antrat, und deklassierte gleich vier Konkurrenten eindrucksvoll.

„Nur die ganz Alten erinnern sich, dass es so was schon gegeben hat“, witzelte Conférencier Hermann Kuhn, der selbst nicht mehr antritt. „Vor 20 Jahren“, fügte sein ebenfalls aus der Bürgerschaftsfraktion ausscheidendes Pendant Dieter Mützelburg hinzu.

Verlierer des Tages: Bürgerschafts-Nachrückerin Karin Krusche war im Rennen um Platz fünf mit zwanzig Stimmen untergegangen, landete – immerhin noch mit 27 Gegenstimmen – nur deswegen auf dem relativ sicheren Listenplatz sieben, weil niemand gegen sie antrat. Die blasse Landesvorstandssprecherin Silvia Schön, auf Platz neun erfolgreich, sagte artig: „Die Fraktion hat so hervorragende Arbeit geleistet, dass ich keinen Anlass sah, gegen jemand anzutreten.“ Der Ex-Bürgerschaftsabgeordnete Wolfram Sailer versuchte, sich als Garant für eine soziale Schulpolitik zu präsentieren, wurde aber von Platz vier bis Platz zwölf „durchgereicht“, wo er im Stechen an Brückenbauer Dirk Schmidtmann aus Bremen-Nord scheiterte.

Gewinner: Die Grüne Jugend. Spitzenkandidat Jan Köhler (27) erreichte gegen drei Konkurrenten mit einem Erdrutsch-Ergebnis den achten Platz. Youngster Jens Crueger (18) katapultierte sich mit einer mitreißenden Rede auf den zehnten Platz, setzte sich im ersten Wahlgang gegen vier gestandene Männer durch. Und Tanja Prinz, die sich gegen drei Frauen Platz elf schnappte, ist auch erst 23. Jan Kahlcke