„Die Folgen unsozialer Politik“
Armutsbekämpfung ist mehr als die Summe von Maßnahmen, sagt Klaus-Rainer Rupp. Die Linke fordert deshalb einen Masterplan: Den gibt’s in Bremen ja für alles, was dem Senat wichtig ist
INTERVIEW VON KLAUS WOLSCHNER
Herr Rupp, die Linkspartei hat immer gefordert, mehr Geld für die Bekämpfung der Armut auszugeben. Der Senat fordert jetzt 465 Millionen Euro Sanierungsbeihilfe – ist das genug?
Klaus-Rainer Rupp: Es wurde langsam Zeit, dass die das Maul aufmachen und ihre devote Haltung gegenüber der Föderalismuskommission und dem Verfassungsgericht in Karlsruhe aufgeben. Mit 465 Millionen Euro pro Jahr könnte eine Haushaltssanierung gelingen, aber die derzeitigen Selbstverpflichtungen zur Aufgaben-Begrenzung, die reale Kürzungen bedeuten, würden nicht überwunden. Wie will man so verhindern, dass Bremens Abwärtsspirale bis 2019 weiter nach unten geht?
Wäre ein „Masterplan“ zur Armutsbekämpfung mehr als ein Stück Papier?
Das Wort wird in Bremen benutzt für ressortübergreifende strategische Konzepte. Es gibt einen Masterplan Kultur, einen Masterplan Industrie. Wir haben dieses Instrument gewählt, um darauf aufmerksam zu machen, dass auch Armutsbekämpfung mehr sein muss als eine Summe von Einzelmaßnahmen.
Der Staat kann Armut bekämpfen?
Wenn der Staat mit steuerpolitischen Mitteln Armut erzeugt, dann sollte er zumindest auch Sorge dafür tragen, die unsozialen Folgen seiner Politik abzumildern. Ich glaube, dass durch gezieltes staatliches Handeln von Wirtschafts-, Bildungs- und Gesundheitspolitik zumindest ein Beitrag dazu geleistet werden kann.
Was soll in diesem Masterplan drinstehen?
Es geht nicht darum, dass jemand ein tolles Papier schreibt. Die beteiligten Behörden und Interessengruppen, die nicht am Regierungshandeln beteiligt sind, müssen sich zusammensetzen und Maßnahmen vereinbaren: Zum Beispiel müssten in den ärmsten Stadtteilen die besten Schulen sein. Wirtschaftspolitik muss ein Interesse entwickeln, die Arbeitsplätze dort zu schaffen, wo die Armut groß ist. Das ist auch eine Frage der Gesundheitsversorgung. Zudem müsste es einen Systemwechsel in der Kinder- und Jugendhilfe geben, sonst kommen wir irgendwann mit dem Reparieren nicht mehr hinterher.
Jetzt würde der Sprecher des Senats sagen: Darum bemühen wir uns doch…
Das behaupten sie. Aber mit derselben Begründung hätte man bei allen Einzelmaßnahmen zur Industrieentwicklung sagen können: Wir brauchen keinen Masterplan Industrie. Die Koalition sagt bei Fragen, die sie wichtig findet: Wir brauchen einen Masterplan. Wir sagen: Dann betrifft das die Armutsbekämpfung ja wohl auch.
Was kostet das?
Wenn man das, was jetzt in diesen Bereichen ausgegeben wird, besser miteinander verzahnen würde, wäre schon viel gewonnen. Es gibt aber auch Bereiche, für die mehr Geld ausgegeben werden muss, 150 oder 200 Millionen Euro pro Jahr, schätze ich.
Hören die Sozialpolitiker von Rot-Grün zu, wenn die Linke über den Masterplan redet?
Wir haben den anderen Fraktionen Zeit gelassen, sich auf diese Initiative einzulassen und mit uns darüber zu reden, ob das nicht eine gute gemeinsame Idee werden kann. Diese Chance haben sie nicht genutzt. Da bin ich sehr enttäuscht.