: Bedrohung ganz falsch eingeschätzt
In einem Bericht zu dem Massaker in Srebrenica kritisiert ein Untersuchungsausschuss des niederländischen Parlaments sowohl die UNO als auch die Regierung in Den Haag. Beide Seiten hätten kein richtiges Konzept zum Schutz der Bevölkerung gehabt
DEN HAAG afp ■ Kritik an der niederländischen Regierung und der UNO hat ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss in Den Haag wegen des Massakers von Srebrenica geübt. Beide Seiten hätten die Bedrohung der muslimischen Enklave durch bosnische Serben völlig falsch eingeschätzt, hieß es in dem gestern veröffentlichten Bericht.
In der UN-Schutzzone um Srebrenica waren im Juli 1995 mehr als 7.000 muslimische Männer durch bosnisch-serbische Truppen ermordet worden. Die Regierung von Ministerpräsident Wim Kok trat vergangenen April zurück, nachdem ein Institut für Kriegsdokumentation zu einem ähnlichen Urteil über den Einsatz niederländischer Blauhelmsoldaten gekommen war. Der Ausschuss sollte die Mitverantwortung niederländischer Politiker, Beamter und Soldaten an dem Massaker klären. Dafür wurden dutzende Zeugen befragt. Die meisten niederländischen Verantwortlichen in Politik und Militär sind jedoch nicht mehr im Amt.
Der UN-Sicherheitsrat und die Regierung in Den Haag hätten kein Konzept zum erforderlichen „Schutz der Bevölkerung“ erarbeitet, kritisierte der parlamentarische Untersuchungsbericht. Mit seiner Kritik am verspäteten Einsatzbefehl für Luftangriffe schloss sich der niederländische Ausschuss einem französischen Untersuchungsbericht an, der dafür vor allem den französischen Befehlshaber der UN-Blauhelme, Bernard Janvier, verantwortlich gemacht hatte. Ein entsprechendes Gesuch der UN-Truppen sei zu lange hinausgezögert worden, obwohl die bosnisch-serbischen Truppen damit noch hätten aufgehalten werden können.
Verantwortlich für das schlimmste Massaker in Europoa seit dem Zweiten Weltkrieg seien die militärische und politische Führung der bosnischen Serben und ihre Truppen, hielt der Haager Bericht fest. Die niederländische Regierung solle sich verstärkt für die Festnahme der von dem UN-Tribunal in Den Haag als Kriegsverbrecher gesuchten bosnischen Serbenführer Ratko Mladić und Radovan Karadžić einsetzen, appellierten die Parlamentarier. Die beiden Flüchtigen gelten als Hauptverantwortliche für das Massaker.