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Archiv-Artikel

Kommunen im Jahr des Schreckens

Deutscher Städtetag warnt vor „Rekorddefizit“ bei den Gemeinden in Höhe von fast zehn Milliarden Euro. Der Senkung der Gewerbesteuerumlage erteilt der Bund jedoch eine Absage – man wolle der Gemeindefinanzreform nicht vorgreifen

von BEATE WILLMS

Es geht noch schlimmer: Obwohl viele Städte bereits 2001 oder 2002 „politische Handlungsunfähigkeit“ angemeldet haben, prophezeit der Deutsche Städtetag, dass erst 2003 zum richtigen „Schreckensjahr“ wird. Etlichen Städten drohe der Ruin. „Trotz des harten Sparkurses stehen die Kommunen 2003 vor einem bisher völlig unvorstellbaren Rekorddefizit“, erklärte Städtetagspräsidentin Petra Roth. Hauptgeschäftsführer Stephan Articus präzisierte die Prognose auf ein Minus von 9,9 Milliarden Euro, wollte aber nicht ausschließen, dass es auch „zweistellige Milliardenhöhe“ erreichen könnte.

Der Bund müsse jetzt eine Soforthilfe auflegen sowie die Gewerbesteuerumlage senken, so Articus. Im Bundesfinanzministerium hieß es dazu gestern nur, daran sei derzeit nicht zu denken. Ab dem Frühjahr werde man gemeinsam mit der Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen Lösungen finden.

Die Probleme der Gemeinden resultieren vor allem aus fehlenden Einnahmen, die nach den aktuellen Zahlen des Deutschen Städtetags im vergangenen Jahr weiter drastisch eingebrochen sind: 2002 kamen nur 23,2 Milliarden Euro an Gewerbesteuer zusammen, 3,8 Milliarden weniger als noch 2000. Grund sind die schlechte Konjunktur und diverse Steuergesetze im Bereich der Unternehmensbesteuerung. Rund ein Viertel von diesem Geld müssen die Kommunen über die Gewerbesteuerumlage an Bund und Länder weitergeben. Dieser Satz war bei der Steuerreform angehoben worden, um die Gemeinden an deren Finanzierung zu beteiligen.

Zusätzlich sinken auch die Gebühreneinnahmen, weil viele Kommunen unter dem Druck, ausgeglichene Haushalte aufstellen zu müssen, städtische Betriebe ausgegliedert haben. So flossen hier 2002 nur noch 16,15 Milliarden Euro in die öffentlichen Kassen, 2,4 Prozent weniger als noch ein Jahr zuvor.

Dabei zeichnet das Gesamtdefizit noch ein geschöntes Bild, weil auch einmalige Einnahmen wie Erlöse aus Privatisierungen mitzählen. Noch schlimmer sieht es bei den chronischen Defiziten aus: Laufende Ausgaben wie Personal oder Sozialausgaben werden in vielen Städten dauerhaft über Kassenkredite finanziert, die eigentlich nur bei kurzfristigen Liquiditätsengpässen erlaubt sind. Mitte 2002 hatten sich die Kommunen so mit 11,7 Milliarden Euro verschuldet – zehnmal so hoch wie 1992.

Auch für dringend benötigte Investitionen bleibt so kein Geld. Im vergangenen Jahr gaben die Kommunen 10,8 Prozent weniger für öffentlichen Verkehr, Beleuchtung, Schwimmbäder und Bildungseinrichtungen aus. Das schwächt die Konjunktur: Immerhin machen die kommunalen Aufträge zwei Drittel aller öffentlichen Investitionen aus.