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Archiv-Artikel

Blix: „Kein Spiel ohne Regeln“

Der UN-Waffeninspekteur sagt, Irak habe in der Substanz nicht kooperiert. US-Botschafter sieht „schwerwiegenden Verstoß“ gegen UN-Resolution

aus New York ANDREAS ZUMACH

Die USA werten den gestrigen Bericht von UNO-Chefinspektor Hans Blix sowie des Direktors der Internatiolnlen Atomenergiebehörde (IAEO), Mohammed al-Baradei, vor dem UNO-Sicherheitsrat als Bestätigung für einen „schwerwiegenden Verstoß“ Iraks gegen die UNO-Resolution 1441. Das erklärte der amerikanische UNO-Botschafter John Negroponte unmittelbar nach den Berichten vor Journalisten. Laut Negroponte hat Bagdad sein „Geschäft der Täuschung und des Leugnens fortgesetzt“. Nun bestehe „die Gefahr“, dass auch der UNO-Sicherheitsrat wieder zum „business as usual zurückkehrt“. Etwas zurückhaltender als Negroponte äußerte sich der britische UNO-Botschafter Jeremy Greenstock. Er sprach von einem „langen Katalog weiterhin offener Fragen“. Doch wenn die Regierung in Bagdad diese Fragen „umgehend, umfassend und zufrieden stellend“ beantworte, gebe es noch die Chance für eine „friedliche Lösung der Irakkrise“. Die Botschafter Russlands, Chinas und Südafrikas forderten, den Waffeninspektionen im Irak mehr Zeit einzuräumen.

In ihren Berichten teilten Blix und al-Baradei mit, die seit dem 27. November laufenden Waffeninspektionen im Irak hätten bislang weder verbotene atomare, chemische oder biologische Massenvernichtungsmittel noch ballistische Raketen zutage gefördert und auch keine aktiven Rüstungsprogramme für diese verbotenen Waffengattungen. Allerdings, so betonte Blix, habe die Regierung in Bagdad eine große Menge Fragen immer noch nicht oder nicht zufrieden stellend beantwortet. „Inspektionen sind kein Spiel ohne Regeln“, sagte Blix über das Verhalten Iraks.

Die unbeantworteten Fragen beziehen sich zum einen auf den Verbleib von biologischen und chemischen Waffen wie Milzbranderregern und dem Nervengas VX beziehungsweise dazu benötigten Grundstoffen, für deren Existenz bereits das erste Inspektionsteam im Irak zwischen 1991 und 1998 zahlreiche Indizien gefunden hatte. Zum Zweiten beziehen sich die offenen Fragen auf mutmaßliche Rüstungsaktivitäten Iraks seit 1998. Blix äußerte im Detail Kritik an irakischen Raketentests, bei denen die Raketen über 150 Kilometer weit flogen. Bagdad ist nur die Produktion von Kurzstreckenraketen mit einer Reichweite von maximal 150 Kilometern erlaubt. Die Inspektoren wollen Beweise für die Behauptung der irakischen Regierung, die in den letzten sechs Jahren importierten rund 300 Raketenmotoren sowie Raketenbrennstoff seien ausschließlich für die erlaubte Herstellung von Kurzstreckenraketen bestimmt.

Der amerikanische Botschafter Negroponte erklärte, die irakische Regierung habe die beiden „Tests, die der UNO-Sicherheitsrat ihr mit der Resolution 1441 vom 8. November letzten Jahres gegeben hat, nicht bestanden“. Zum einen erfülle der irakische Waffenbericht von Anfang Dezember nicht die Auflagen der Resolution 1441. Zum Zweiten behindere Bagdad die Inspektionen vor Ort. Damit seien die beiden in der Resolution 1441 formulierten Kriterien erfüllt für die Feststellung, dass Irak einen „schwerwiegenden Verstoß“ gegen die Resolution begangen hat.

Der südafrikanische Botschafter Kumalo Dumisani wies darauf hin, dass die IAEO Anfang der 90er-Jahre zwei Jahre benötigte, um den damals von der südafrikanische Regierung erklärten freiwilligen Verzicht auf das vom Apartheidregime Mitte der 70er-Jahre begonnene Atomwaffenprogramm zu verifizieren. Entsprechend viel Zeit müsse auch den Inspektoren im Irak eingeräumt werden, zumal diese eine viel größere Aufgabe zu erledigen hätten als seinerzeit die IAEO in Südafrika.

Entscheidungen über das weitere Vorgehen werden frühestens von einer für Mittwoch anberaumten Sitzung des Rates erwartet. Während der gestrigen Sitzung demonstrierten vor der UNO-Zentrale rund 300 Menschen gegen einen Irakkrieg. Anschließend zogen die Demonstranten vor die deutsche UNO-Botschaft und übergaben dort einen Brief mit der Aufforderung an die Berliner Regierung, bei ihrer bislang erklärten Ablehnung eines Krieges zu bleiben.