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Archiv-Artikel

strafplanet erde: hauptsache, geklaut von DIETRICH ZUR NEDDEN

Noch nehmen wir’s womöglich schenkelkopfend auf die leichte Schulter, bald aber werden wir vor Entsetzen die Hände überm Kopf schütteln: „Der Tag wird kommen“, wie John Wayne in „The Searchers“ des Öfteren orakelt – wobei Wayne im Original sagt: „That’ll be the day“, schon klar; nicht dass die Cineasten wegen Niveaulosigkeit hier sofort abbrechen.

An einem Ignoranten wie mir waren jedenfalls die Alarmmeldungen rund um die Nivellierung des Urheberrechts vorbeigelaufen, erst gestern bequemte ich mich dazu, mal was darüber zu lesen. Das Privatarchiv kostenlos bestücken? Nie mehr!, wenn ich’s richtig verstanden habe. Und nicht etwa kassieren die wahren Urheber, das wäre ja noch schöner, sondern wie seit Homer die Rechteverwerter.

Würde Herbert Achternbusch, um ein schief hängendes Beispiel zu nehmen, jedes Mal, wenn sein Zweizeiler von 1976 – „Du hast keine Chance, aber nutze sie“ – zitiert oder paraphrasiert wird, Geld verdienen, der Mann könnte Filme für zehn Millionen Euro das Stück drehen. Wer sich das bis heute andersherum gedacht haben sollte, macht sich allerdings exorbitantester Naivität verdächtig, deswegen nun der Schwenk zu urheberrechtlichen Fragen in ganz anderem Licht.

Der amerikanische Schriftsteller Nicholson Baker sinnierte neulich in der Süddeutschen Zeitung über seine Methode, Exzerpte aus Büchern anzufertigen. Man solle, hieß es da ungefähr, die Anführungszeichen nicht vergessen, woraufhin ich prompt vergaß, mir den Absatz aufzuschreiben, sodass mir jetzt der genaue Wortlaut fehlt. Aus diesem Anlass beichtete ich in der Selbsterfahrungsgruppe für chronisch verwirrte Autoren, dass ich Schussel jahrzehntelang nicht nur manches Mal an den Anführungszeichen vorbeigeeilt sei, sondern fahrlässig versäumte, die Quelle anzugeben. Stöbert man später herum, ist die Verlegenheit groß. War das jetzt von mir? Kann nicht sein, zu gut. Aber von wem dann? Vom früh verrenteten Saufaus am Nebentisch oder von einem Großen der Geisteswelt? Ist das nicht egal?

Anderes ist leichter einzugrenzen, dadurch aber nicht minder kompliziert. In einem Oktavheft von 1985 findet sich: „Rasierschaum aus Wolken; daneben die scharfe Klinge des Mondes.“ Der eigene Beitrag für den Arno-Schmidt-Ähnlichkeitswettbewerb oder abgeschrieben? Fragen wie diese enden mit hilflosem Taumeln im Rechteck aus Zitat, Raub von geistigem Eigentum, Abkupferei und Inspired by.

Andererseits erzählte mir mal jemand, Originalität sei sowieso nur ein Zeichen von mangelnder Bildung, was im Übrigen ein Zitat von Arno Schmidt sei. Sollte Schmidt so etwas nie geschrieben oder zitiert haben, so bitte ich sowohl ihn als auch die Leser um Vergebung.

(Dies ist die Adaption eines wahrscheinlich nicht mehr urheberrechtlich geschützten Sudeleintrags von Georg Christoph Lichtenberg, aber das nur im Vorbeigehen, sagte der Mann auf dem Wochenmarkt, nahm einen Apfel und machte sich davon. Steht in irgendeiner Novelle von Ludwig Tieck. Wenn ich bloß wüsste wo.)