: Schule mit beschränkter Haftung
Eine ehemalige Lehrerin erhebt schwere Vorwürfe gegen die British International School in Berlin. Der Fall der Lern-GmbH wirft die Frage auf, ob Privatschulen als Unternehmen überhaupt ihren Bildungsauftrag erfüllen
BERLIN taz ■ Alte Bäume und Rasenflächen umgeben die Vorstadtvilla am Rand von Spandau, in der die British International School Berlin (BISB) residiert. Fünf Jahre erst ist die Schule alt, doch sie umgibt bereits die Aura englischer Privatschulen mit großer Tradition. Nachmittags stehen Reitkurse auf dem Programm, die Schüler tragen burgunderfarbene Polohemden und dunkelblaue Sweatshirts. Ein Wappen darf nicht fehlen: Es zeigt diverse goldene Kronen und den lateinische Leitspruch „floreat nostra schola“ – möge unsere Schule blühen.
Rund 230 Schüler hat die British International – viele Kinder von Diplomaten, aus zweisprachigen Familien oder spracheninteressierte Berliner. In der Hoffnung auf eine blühende Zukunft ihrer Kinder haben sie sich für die British International School entschieden; für einen britischen Schulabschluss sind sie bereit, Gebühren bis zu 8.000 Euro im Jahr zu zahlen.
Doch seit kurzem ist diese Hoffnung erschüttert: 48 Eltern der Schule bekamen einen Brief, der schwere Vorwürfe gegen die Schule enthält. Geschrieben hat ihn Vivian Houlihan, eine ehemalige Lehrerin der British School. Sie sehe sich gezwungen, die Eltern über „unakzeptable Zustände“ an der Schule zu informieren, schrieb die Pädagogin. Die Unterrichtsleistungen seien katastrophal, „fast alle Schüler“ scheiterten nämlich „ständig in fast allen Fächern“. Selbst Lehrer der Schule seien „nicht mit den Lehrplänen vertraut“. Die Noten, die die Schüler während der Examensvorbereitung erhielten, seien „unrichtig“. Die Folge, so Houlihans Anklage: Teilweise sei die Hälfte der Schüler einer Klasse durch die extern von den britischen Behörden bewerteten Abschlussprüfungen am Ende des Schuljahrs gerasselt. Als Krönung habe die Schulleitung ihr verboten, mit den Eltern über diese Probleme zu sprechen, schrieb Houlihan.
Probleme mit dem Ethos
Vivian Houlihan hatte an der British International School eine wichtige Position: Sie war für moderne Fremdsprachen und die Abnahme der Examen verantwortlich. Doch schon nach zwei Monaten Arbeit verließ Houlihan die Schule wieder. Sie habe es nicht mehr mit ihrem beruflichen Ethos vereinbaren können, die Zustände an der Schule mitzutragen, schrieb sie den Eltern. Sie quittierte den Dienst – doch der Streit mit der Schule geht weiter. Der Brief der Lehrerin ist inzwischen Gegenstand eines Gerichtsstreits zwischen Houlihan und ihrem ehemaligen Arbeitgeber. Und der Druck auf die Schule wächst, die Vorwürfe zu entkräften. Und zu beweisen, dass sie nicht nur am Geldverdienen interessiert ist.
Die British School hat die für deutsche Verhältnisse ungewöhnlichen Form einer GmbH, das heißt: Sie zielt auf Gewinn. Geleitet wird die Schule konsequenter Weise nicht von einem Pädagogen; Chef ist Commercial Director John Marshall. Der weist alle Vorwürfe weit von sich, sie seien eine bloße Verleumdung durch die ehemalige Lehrerin. Gewinnorientiertes Denken und gute Schulausbildung schlössen sich keinesfalls aus, im Gegenteil. Auch den Vorwurf, aus Kostengründen schlecht qualifizierte Lehrer einzustellen, lässt Marshall nicht gelten; seine Lehrer würden „absolut fair“ bezahlt. Die wachsende Schülerzahl sieht er als Qualitätsbeweis – und argumentiert strikt marktorientiert: „Wenn ein Supermarkt schlechte Produkte anbietet, geht ja auch keiner mehr hin.“
Die BISB gehört zu dem britischen Erziehungskonzern Nord Anglia, einem an der Londoner Börse notierten Unternehmen, das außer in England vor allem in Osteuropa expandiert: In den letzten zehn Jahren entstanden Schulen des Konzerns unter anderem in Warschau, in Moskau und erst kürzlich im ukrainischen Dnepropetrowsk. In Berlin ist Nord Anglia seit August 1998 vertreten. Damals startete die British School mit 28 Kindern.
Attraktiv sind dort vor allem die international angesehenen britischen Schulabschlüsse bis zum A-Level, etwa vergleichbar dem deutschen Abitur. Von den Berliner Behörden wird die Qualität des Unterrichts in der Spandauer Villa freilich nicht kontrolliert. Denn die British School gilt als so genannte Ergänzungsschule, das heißt: als Wirtschaftsunternehmen, das Zusatzangebote liefert. Solche Einrichtungen bekommen keine öffentliches Geld, sie dürfen keine deutschen Schulabschlüsse anbieten – aber sie unterliegen auch nicht der Schulaufsicht. Die Schüler der BISB müssen sich deshalb von der Schulpflicht befreien lassen.
Das System funktioniert, weil die britischen Behörden wenig halten von der Aufsicht über ihre Privatschulen. Sie überprüfen lediglich die Examen. Wer vorher was wie unterrichtet, das entscheidet das Unternehmen Schule weitgehend selbst – gerade im Ausland.
Hohe Durchfallquoten
Vor dem Berliner Arbeitsgericht scheiterte die British School dieser Tage mit dem Antrag auf eine einstweilige Verfügung gegen Vivian Houlihan. Die Schule wollte verhindern, dass die Lehrerin ihre Behauptungen wiederholt. Schulleiter John Marshall beteuerte auch vor Gericht, die Vorwürfe der Pädagogin Houlihan seien schlicht falsch. Es gebe Kurse mit einer hohen Durchfallquote; sogar 50 Prozent seien schon vorgekommen – in Ausnahmefällen.
Ein Schüler der Schule* ist da skeptischer. Die Prüfungsergebnisse seiner Fächer jedenfalls seien schlecht. Einen Wirtschaftskurs etwa hätten nur 2 von 16 Schülern gepackt. Auch die Prüfungen zum AS-Level, dem Abschluss des vorletzten Schuljahrs, müssten die meisten wiederholen. Der junge Mann hat den Eindruck, dass manche Lehrer Zweifel an der Schule hätten: Die Fluktuation der Lehrkräfte sei hoch. Einige verließen die Schule bereits während des laufenden Schuljahrs wieder.
Der Streit über den Brief der Lehrerin Houlihan wird wohl demnächst vor Gericht in die nächste Runde gehen. Und auch Commercial Director Marshall hat inzwischen Post bekommen: von alarmierten Eltern, die sich nun ebenfalls um ihre Kinder sorgen. Sie verlangen von der Schule, die Vorwürfe zu widerlegen – und zu beweisen, dass die British International School Berlin GmbH mehr bietet für ihr Geld als eine Villa und Schuluniformen. THOMAS GOEBEL
*Name der Redaktion bekannt