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Archiv-Artikel

Vogelschutz oder Energiewende

Der Naturschutzbund will Offshore-Windparks in Schutzgebieten verhindern. Greenpeace fordert Abwägung – sonst werde die neue Energiepolitik blockiert

HAMBURG taz ■ Die Umweltverbände tun sich schwer, eine gemeinsame Position zum Thema Offshore-Windenergie zu finden. Der Naturschutzbund (Nabu) veröffentlichte unlängst einen Plan mit zu schaffenden Meeresschutzgebieten, nach dem ein Großteil der beantragten Windparks im Meer nicht genehmigt werden dürfte. Die Schutzgebiete seien von jeglicher wirtschaftlicher Nutzung frei zu halten, fordert der Nabu. Greenpeace glaubt dagegen, dass das der Umwelt insgesamt mehr schaden als nutzen würde.

Heute treffen sich die Umweltverbände in Berlin, um ihre konträren Positionen zu verhandeln. „Wir machen uns als Umweltorganisation unglaubwürdig, wenn wir gleichzeitig aus der fossilen und atomaren Energieproduktion aussteigen wollen und die größte erneuerbare Energie nicht entwickeln“, sagt Sven Teske, Energieexperte bei Greenpeace. Er steckt in einem Dilemma: Ihm wird vorgeworfen, den Lebensraum der einzigen in der Nordsee heimischen Walart, des Schweinswals, im Namen der Energiewende aufs Spiel zu setzen. Außerdem seien zwei Dutzend Vogelarten gefährdet, argumentiert der Nabu mit Blick auf den Windpark Butendiek vor Sylt. Deshalb sollten statt Windparks große Schutzgebiete ausgewiesen werden.

Greenpeace ist keineswegs anderer Meinung, zieht jedoch andere Schlussfolgerungen: Eine Nutzung im Sinne des Gemeinwohls sei auch in Vogelschutz- und FFH-Gebieten (Flora Fauna Habitat) nicht ausgeschlossen, sagt Teske. Greenpeace fordert deshalb eine „strategische Umweltverträglichkeitsprüfung“, die den globalen ökologischen Nutzen der Windkraft als Alternative zu fossilen Brennstoffen und der Atomkraft berücksichtigt. Der Klimawandel sei für die Tiere möglicherweise eine viel größere Bedrohung als der Bau von Windkraftanlagen in einem Teil ihrer Lebensräume. Forschungen in Europa und Nordeuropa haben belegt, dass der Klimawandel manche Tierarten bereits heute zum Wandern zwingt und so gefährden kann. „Wir sehen uns plötzlich in der Situation, dass wir abwägen müssen“, sagt Teske. Er fürchtet, dass die Offshore-Windenergie von den Maximalansprüchen der unterschiedlichen Meeresnutzer erdrückt werden könnte. Zwischen Schifffahrtsstraßen, Ölfplattformen, militärischen Übungsplätzen und Naturschutzgebieten bliebe kaum mehr Platz für Offshore-Windparks. Zumal ökonomische Zwänge erschwerend wirken: Je weiter im Meer die Anlagen stehen, desto höher die Kosten.

Greenpeace schlägt vor, an drei bis fünf Pilotprojekten auszuprobieren, ob sich Offshore-Windparks naturverträglich betreiben lassen. Nach den Erfahrungen etwa mit dem Projekt Horns Rev vor Dänemark hält es die Organisation für vertretbar, Offshore-Windparks versuchsweise auch in Schutzgebieten zu bauen – mit Ausnahme der Nationalparks.

„Falsch“, sagt dagegen Frank Musiol, Energieexperte des Nabu. Bezogen auf ihre Leistung seien zwei Drittel der Offshore-Windparks außerhalb der vorgeschlagenen Schutzgebiete beantragt worden. Den Nachteil weit auf See liegender Windparks müsse der Staat durch Subventionierung der Kabel zum Land ausgleichen, findet seine Kollegin Beatrice Claus vom WWF.

GERNOT KNÖDLER