Verkehrte Welt

Real Sociedad San Sebastián führt etwas überraschend und bisher ungeschlagen die spanische Liga an

MADRID taz ■ Wenn das Wort „Straßenfeger“ einen Sinn macht, dann diesen Sonntag im Baskenland. Sobald in San Mamés das Derby zwischen Athletic Bilbao und Real Sociedad San Sebastián angepfiffen wird, sind die Straßen menschenleer. Keiner kann sich dem Spektakel entziehen, schon gar nicht in diesem Jahr, in dem Real Sociedad ungeschlagener Wintermeister der spanischen Liga ist und der Club aus Bilbao gegen den Abstieg kämpft.

Eine verkehrte Welt, wie es scheint, waren es doch die Blau-Weißen aus dem versnobten Atlantikbad, die in den letzten drei Jahren am Tabellenende zitterten, während die Fans aus der Industriemetropole Bilbao lächelnd aus der sicheren Tabellenmitte auf sie herabschauten. Diese Saison aber ist die Mannschaft aus Donosti, wie die Basken ihr San Sebastián nennen, unschlagbar. In den bisher ausgetragenen 19 Begegnungen gewann Real Sociedad zwölfmal und spielte siebenmal unentschieden. Damit und mit ihren 43 Punkten sind die Blau-Weißen der beste Wintermeister der letzten sechs Spielzeiten, die Nummer zwei, immerhin Real Madrid, liegt schon fünf Punkte im Hintertreffen. Wer an Statistiken im Fußball glaubt, ist sich schon jetzt sicher, dass der Vorsprung bis zum Saisonende reichen wird; in den letzten zehn Jahren verfehlte der Wintermeister nur zweimal den Titel.

Anders als bei Real Sociedad will hingegen bei Athletic Bilbao überhaupt nichts klappen. Die Rot-Weißen stehen auf Platz 16, nur zwei Punkte von der Abstiegszone entfernt. Dabei schien es im letzten Jahr noch so, als würde Trainer Jupp Heynckes den Club wieder zu alten Höhen führen können. Bis zum letzten Spieltag stritt die Elf um einen Platz im Uefa-Cup, auch zum Rundenbeginn schaute die Mannschaft voller Erwartung nach oben. Jetzt richtet sich der Blick ängstlich nach unten.

„Real Sociedad wird diesen Rhythmus nicht durchhalten können“, reden sich viele Athletic-Fans dennoch Mut zu – genau wie die Anhänger aller anderen Gegner zuvor. Doch „La Real“ hält durch. Das Geheimnis dieses Erfolgs? Im Geld zumindest steckt es nicht. Nach mehreren schwachen Spielzeiten sind die Kassen leer. Dass Real Sociedad dennoch ganz vorne kickt, liegt – da sind sich in der Stadt an der Concha alle sicher – an Trainer Raynald Denoueix.

„Zauberer“ und „Druide“ nennen sie den Mann, der einst Nantes trainierte, wo er Spieler wie Karambeu oder Deschamps entdeckte. Der Franzose hat das Unmögliche möglich gemacht: Er hat die Elf zusammengeschweißt, und das, obwohl oder gerade weil er, anders als seine erfolglosen Vorgänger Javier Clemente und John Toshack, keine großen Namen verpflichten konnte. „Wir haben keinen Ronaldo, dafür aber einen Raynaldo“, pinseln die begeisterten Fans nun immer wieder auf ihre Transparente.

Die Abwehr steht so sicher, dass es sich Real Sociedad leisten kann, einen knappen Vorsprung zu verteidigen. Neunmal holten sie sich ihre drei Punkte mit nur einem Tor Unterschied. Immer wieder lassen die Blau-Weißen ihren Gegner müde laufen, dann kommen das eigene Mittelfeld und der Sturm zum Einsatz. Herz des Mittelfeldes sind Xabi Periko und der Türke Tayfun Korkut, die dem treffsicheren Jugoslawen Darko Kovacevic im Sturm zuarbeiten. Absoluter Superstar in San Sebastián aber ist der erst 21 Jahre alte Xabi Alonso, der mittlerweile als einer der besten Mittelfeldspieler der Primera División gilt – und große Erinnerungen weckt. Seinem Vater Periko Alonso gelang gleich zweimal, was sein Sohn nun vor Augen hat: 1981 und 1982 hielt er den Meisterpokal in der Hand. Doch bis zum Titel sind noch weitere 19 Spiele zu meistern. Trainer Denoueix mahnt zur Bescheidenheit: „Wir wollen unseren Erfolg auskosten, aber nur ein paar Minuten. Unser Ziel ist es, das nächste Spiel zu gewinnen.“ Am Sonntag ist es ein Derby.

REINER WANDLER