: Ehe, eher, am ehesten rot-schwarz
Nach der Niedersachsen-Wahl wollen sich die Sozialdemokraten in Bremen berappeln, die CDU bleibt loyal. Das Modell große Koalition bekommt für den 25. Mai Rückenwind. Die Freunde von Rot-Grün hoffen, dass sich die Bundeslage beruhigt
taz ■ „Man muss das sehr ernst nehmen, schließlich ist das nicht irgendwo passiert“. Bürgermeister Henning Scherf (SPD) kommentierte gestern das Wahldebakel der SPD in Niedersachsen nachdenklich, aber ohne Panik. Eine Wiederholung werde es bei der Bürgerschaftswahl in Bremen nicht geben: „Die Situation hier ist ganz anders. Wir sind dank der großen Koalition nicht so polarisiert“. Kritik übte Scherf auch am Wahlkampf seines Parteigenossen Sigmar Gabriel: „Es war sicher nicht intelligent, dass er sich immer wieder mit der Bundespolitik auseinander gesetzt hat.“ Scherf will sich stattdessen „auf das konzentrieren, was wir hier geschafft haben“.
Bei aller Betroffenheit: Scherf hat für seinen eigenen Kurs, der auf Fortsetzung der großen Koalition drängt, Rückenwind bekommen. „Es gab mal Zeiten, da war der ganze Norden sozialdemokratisch. Jetzt rücken wir mit unserer Koalition in die Mitte.“ Gleiches gelte für den Bundesrat. Auch da sei man „nicht mehr unter Schmuddelverdacht“.
Die klare Absage, die die WählerInnen am Sonntag dem Berliner Regierungsbündnis gegeben haben, nimmt den hiesigen Sozialdemokraten mit Hang zu Rot-Grün den Wind aus den Segeln. Hermann Kleen, innenpolitischer Sprecher der Bremer SPD, der sich erst kürzlich als Sympathisant von Rot-Grün geoutet hatte, mochte das gestern nicht mehr bestätigen: „Koalitionen sind kein Wunschkonzert, das war vorher nicht anders.“ Die Wahl in Niedersachsen sei „eine ganz deutliche Lehre“. Carsten Sieling, baupolitischer Sprecher der SPD und häufiger Kritiker der großen Koalition, erklärte: „Es gibt eine ganze Reihe von Themen der großen Koalition, die abgearbeitet sind, und viele Themen, die man mit Rot-Grün gut, wenn nicht besser machen könnte.“ Aber nach einem Tag, der „ein bisschen grausam“ für die SPD war, müssten die Bremer Sozen sich auf sich selbst konzentrieren. Zumal nicht zu erwarten sei, „dass bundespolitisch Ruhe eintritt.“ Auf genau diese Ruhe aber setzt Fraktionschef Jens Böhrnsen. „Der Schock sitzt tief“, gibt er zu. Aber der Zweckoptimismus auch: „Wir haben schon 1999 bewiesen, dass wir trotz einer wenig komfortablen Lage der Bundes-SPD Menschen überzeugen können.“ Bis Mai hofft Böhrnsen, dass aus dem Berliner Gegenwind „mindestens Windstille, vielleicht auch Rückenwind“ geworden ist. Außerdem habe die Bremer SPD einiges zu bieten. Die sozialdemokratische Attraktivitätsoffensive – 100 Millionen Euro für „mehr Lebensqualität“ in der nächsten Legislaturperiode – setze nicht nur Akzente kontra CDU, „die die Sanierung als technokratischen Vorgang begreift“, sondern auch Richtung Grüne: „Anders als die Grünen schreiben wir nicht nur Wunschzettel auf.“
Mit Windstille oder noch mehr rechnen auch die Bremer Grünen. „Diese Regierung ist darauf angewiesen, sich zu berappeln“, so Karoline Linnert, Fraktionsvorsitzende der Grünen. Egal, ob Rot-Grün noch geht oder nicht – „für uns kommt kein anderer Partner als die SPD in Frage.“
Ralf Fücks, grüner Vordenker, Bremer und Chef der Heinrich-Böll-Stiftung, sieht ein rot-grünes Bündnis in der Hansestadt keineswegs für erledigt an, „obwohl die Chancen sich durch Niedersachsen nicht verbessert haben.“ Gleichwohl „bleibt ein Regierungswechsel durch die Wahl in Niedersachsen so notwendig wie zuvor.“
Der Landesvorsitzende der Bremer CDU, Bernd Neumann, reagierte ohne Häme auf das Abschneiden der Sozialdemokraten: „Wir sind froh, aber nicht schadenfroh“, sagte er und übte Loyalität gegenüber dem Möchtegern-Koalitionspartner. Dennoch glaubt er, dass man sich, sollte es zur Koalition zwischen SPD und CDU kommen, „inhaltlich ein wenig am Umland orientieren muss“. In Fragen der Schul- und Wissenschaftspolitik seien „Alleingänge“ nicht sinnvoll. Bis dahin aber, so auch der Fraktionsvorsitzende der CDU, Jens Eckhoff, ist es noch ein langer Weg. „Wir können uns hier nicht zurücklehnen“, sagt er und freut sich gleichzeitig über den Motivationsschub, den das gute Abschneiden der Nachbar-CDU bedeutet: „Ich glaube, dass sich alle Aktiven in sehr guter Stimmung befinden“. Den Gerüchten, nach denen Innensenator Kuno Böse Richtung Niedersachsen-Kabinett abwandert, erteilten beide CDU-Größen eine Absage. „Das sind alles Enten“, kommentierte Bernd Neumann während Eckhoff auf die traditionell guten Beziehungen zwischen der Bremer und der Niedersachsen-CDU verwies. „Josef Hattig hat geholfen, das Wahlplakat für Christian Wulff mit auszusuchen“, sagt Eckhoff. „Über den kursieren dann wohl bald die nächsten Gerüchte.“ hey / sgi