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Archiv-Artikel

Saddam Husseins Ende im Visier

Die irakische Opposition will sich in Kurdistan treffen und eine Übergangsregierung bilden. Um ihre Sicherheit zu gewährleisten, haben sie die USA um eine Verstärkung der Luftpatrouillen gebeten. Mit Postengerangel ist zu rechnen

von INGA ROGG

Während alle Welt auf den Auftritt von US-Außenminister Colin Powell vor dem UN-Sicherheitsrat wartet, intensivieren andere Gegner Saddam Husseins ihre Vorbereitungen für einen Regimewechsel. Nach Jahren des Exils ist vor wenigen Tagen der Chef des oppositionellen Irakischen Nationskongresses (INC), Ahmed Chalabi, nach Irakisch-Kurdistan zurückgekehrt. Er werde bleiben, bis Saddam gestürzt sei, sagte er bei seiner Ankunft im kurdischen Salahaddin. In dem Luftkurort im Norden von Arbil soll sich Mitte Februar das im Dezember in London aus der Taufe gehobene Koordinationskomittee der irakischen Opposition versammeln.

Das ursprünglich für Mitte Januar geplante Treffen wurde bereits zweimal verschoben, weil sich keines der Nachbarländer bereit fand, den Oppositionellen die Durchreise zu gestatten. Zudem beschuldigen INC-Vertreter Teile der US-Administration, die Zusammenkunft torpedieren zu wollen, weil es deren Plänen entgegenstehe, im Irak nach Saddam einen Militärgouverneur einzusetzen. Die Probleme seien gelöst, sagt Chalabi nun. Er habe volle Rückendeckung aus dem Weißen Haus und Iran habe sich bereit erklärt, den Oppositionellen den Transit zu ermöglichen.

Es wäre das erste Mal seit mehr als zehn Jahren, dass sich Saddams Gegner im Irak versammeln. Neben den bereits in London anwesenden Gruppen werden nun auch die Irakische Kommunistische Partei und die schiitische Dawa-Partei sowie kleinere Gruppierungen erwartet, die nicht in den Ruch der Unterstützung ausländischer Intervention kommen wollten und deshalb der Londoner Konferenz eine Absage erteilt hatten. Damit scheinen weitere Rangeleien um die Sitzverteilung in dem Koordinationsausschuss bereits vorprogrammiert.

Darüber hinaus soll in Salahaddin eine Übergangsregierung gebildet werden. Geht es nach Chalabi, kommt es zu einer Neuauflage des 1992 vom INC beschlossenen Führungstriumvirats aus den drei stärksten Bevölkerungsgruppen im Zweistromland – Schiiten, Sunniten und Kurden. Damit müsste aber Chalabi selbst, der einen alten schiitischen Kaufmannsfamilie entstammt, wohl auf einen Sitz verzichten. Zudem legt das Gros der Oppositionellen Wert darauf, möglichst alle Fraktionen in die künftige Übergangsregierung einzubinden.

Doch noch ist der Herrscher von Bagdad im Amt. Dass sein Schicksal, aber auch das seiner Kontrahenten, eng an die Entscheidungen in Washington gebunden ist, darüber macht sich unter den Oppositionellen kaum jemand Illusionen. Freilich hält man es für ausgeschlossen, dass Washington die Oppositionellen noch einmal im Stich lässt, wie zuletzt im März 1995.

Zusammen mit einer Hand voll CIA-Agenten hatte der INC-Chef damals einen Umsturzplan ausgearbeitet, kurdische Einheiten schickten sich zum Angriff auf Saddams Truppen. Die Sache hatte nur einen Haken: Der Plan war nicht durch die damalige Clinton-Administration gedeckt. Der INC zahlte für das eigenmächtige Vorgehen der CIA einen hohen Preis – unter den Kurden war er diskrediert, und die kurdische KDP suchte daraufhin zeitweise den Schulterschluss mit Bagdad. Als die KDP im Jahr darauf mit Bagdads Hilfe einen Schlag gegen die PUK führte, richteten Saddams Schergen 100 INC-Mitglieder hin.

Um die Sicherheit des Treffens zu gewährleisten, haben die Kurden unterdessen von Washington eine Intensivierung der Luftpatrouillen erbeten. Salahaddin ist zwar wegen des KDP-Hauptquartiers einer der bestgesicherten Orte Kurdistans, doch nur eine knappe Autostunde von Saddams Truppen entfernt.