: „Megawati ist ein hoffnungsloser Fall“
In Indonesien hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es einheimische Terroristen gibt, doch die Regierung laviert
BANGKOK taz ■ Indonesiens Polizeisprecher Edward Aritonang hat besorgt von einer „Schwäche im Sicherheitssystem“ gesprochen, als am Montag vor dem Polizeihauptquartier in Jakarta eine Bombe detonierte. Polizeichef Dai Bachtiar nannte es nur „ein kleiner Zwischenfall“, aber einer mit „enormer politischer Bedeutung“. Er befürchtet, dass die Angst vor Anschlägen zunimmt. Die Polizei schließt nicht aus, dass die Bombe in Zusammenhang mit den Anschlägen von Bali oder der Inhaftierung des Geistlichen und mutmaßlichen Anführers der Islamistengruppe Jemaah Islamiyah (JI), Abu Bakar Baschir, stehen könnte. Erst am Abend zuvor hatten die Ermittler Mas Selamat Bin Kastari festgenommen, nach Polizeiangaben der mutmaßliche JI-Führer in Singapur.
Baschir war bereits Mitte Oktober verhaftet worden und wurde bis vor kurzem ausschließlich der Bombenattentate auf Kirchen im Jahr 2000 und wegen eines geplanten Mordes an Präsidentin Megawati Sukarnoputri beschuldigt. Erst kürzlich brachten Ermittler ihn mit den Bali-Bomben in Verbindung, benannten ihn jedoch nicht offiziell als Verdächtigen. „Seine Rolle ist bis heute definitiv noch nicht klar, deswegen geht die Polizei extrem vorsichtig mit ihm um“, meint Sidney Jones von der „International Crisis Group“ in Jakarta gegenüber der taz. Diese Ambivalenz zeuge von Unsicherheit und der Sorge, mit einer womöglich ungerechtfertigten Verurteilung Baschirs radikalen Tendenzen Auftrieb zu geben.
Denn die waren gerade erst wieder abgeflaut: Fast vier Monate nach den Anschlägen auf Bali mit knapp 200 Toten ist den Einwohnern des weltgrößten muslimischen Landes inzwischen bewusst, dass Indonesien nicht nur ein Ziel, sondern auch eine Keimzelle von Terroristen ist. Lange glaubten viele Indonesier an eine Verschwörung des Westens, allen voran der CIA, um das Land als „Terrornest“ brandmarken zu können. Dies hätte den USA Vorwände geliefert, Truppen in der Region zu stationieren. Schon Monate vor den Bali-Anschlägen waren die USA kritisiert worden, als US-Außenminister Colin Powell für eine Front gegen den internationalen Terrorismus in Südostasien geworben hatte.
Die Bali-Anschläge, die Ermittlungen und die Festnahme Baschirs verstärkten zunächst die antiwestlichen Ressentiments. Indonesiens Nachrichtenmagazin Tempo veröffentlichte damals eine Meinungsumfrage, in der 62 Prozent der Befragten bezweifelten, dass die Bombenleger Indonesier seien. Selbst als mit dem Indonesier Imam Samudra im November einer der Hauptverdächtigen gefasst wurde, bezweifelten viele Indonesier, ob damit auch der tatsächliche Strippenzieher hinter Gitter wandern würde.
Die Zweifler sind stiller geworden. Laut Jusuf Wanandi vom „Zentrum für Strategische und Internationale Studien“ (CSIS) in Jakarta hätten Analysen inzwischen gezeigt, dass die Existenz islamistischer Netzwerke im Inselstaat bis 1945 zurückgeht. „Die Indonesier haben mittlerweile realisiert, dass radikale Muslime existent und eben auch unter den eigenen Landsleuten zu finden sind.“
Doch diese Erkenntnisse garantieren dem krisengeplagten Inselstaat noch keine politische Stabilität. Polizei-, Justiz- und Militärapparat sind nach wie vor marode, die politische Führung schwach. „Als Regierungschefin ist Megawati ein hoffnungsloser Fall“, meint Jones von der „International Crisis Group“. Denn trotz des guten Ermittler-Teams in Bali agiere Megawati gegenüber der wuchernden Korruption hilflos, mehr noch: „Sie zeigt überhaupt kein Interesse, dagegen anzugehen.“ Jeder könne sich illegal Pässe, Waffen und Sprengstoff kaufen.
Jones schätzt, dass es im Fall eines Irakkrieges in Indonesien weniger zu einer breiten Radikalisierung kommen wird als vielmehr zu einzelnen Gewaltakten und Protesten kleinerer Gruppen. Diese würden ihrem Ärger auf die USA Luft machen, „aber nicht in einer Form, die sich mit dem Ausmaß von Bali vergleichen ließe“. Diese Ansicht teilt auch der Indonesienexperte Harold Crouch von der Australian National University in Canberra. Er befürchtet bei einem US-Angriff auf den Irak keine schwerwiegenden innenpolitischen Herausforderungen für Indonesiens Regierung. Für Jusuf Wanandi vom CSIS wäre es die beste Lösung, wenn die USA bei einem Krieg die Rückendeckung der UNO hätten. „Wenn nicht, wären alle Erfolge einer Anti-Terror-Bekämpfung in Indonesien hinfällig. Die radikalen Islamisten werden dann zurückkommen.“
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