gestern im amtsgericht : Freiheitsstrafe für einen notorischen Betrüger
Der Baron von und zu Bremen
Der Betrüger bewahrte die Fassung. Als ihn das Amtsgericht Bremen gestern zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten ohne Bewährung verurteilte, verzog Kurt Wolfgang H. keine Miene. Im Gegenteil: „Ich danke dem Gericht für seine Freundlichkeit“, bedankte sich H. formvollendet beim Vorsitzenden Richter Hans Ahlers, der daraufhin fast ein wenig gerührt antwortet: „Wir machen hier ja auch nur unseren Job und wir wollen niemanden fertigmachen.“
Wegen Betrugs und versuchten Betrugs in insgesamt 44 Fällen verurteilte Ahlers den schmächtigen, fahlgesichtigen H., den man gut und gerne für einen magenkranken Finanzbeamten oder einen ausgebrannten Studienrat halten könnte. Doch der 56-Jährige hat es faustdick hinter den Ohren: 32 Eintragungen finden sich im Bundeszentralregister. Seit Anfang der sechziger Jahre wurde H. regelmäßig straffällig und saß mehrfach im Knast: schwerer Diebstahl, Körperverletzung – und immer wieder Betrug.
In Bremen nun stand H. wegen „zweier Komplexe“ vor Gericht: Anfang 2000 mietete er nassforsch ein Geschäft in der Bahnhofsstraße an und bestellte massenhaft Kleidung und Kosmetika, obwohl er zahlungsunfähig war. Ähnlich verhielt es sich ein Jahr später, als H. einen Vorvertrag für einen Gutshof in Gnarrenburg unterschrieb und „Heerscharen von Handwerkern“ engagierte, um dort ein französisches Spezialitätenrestaurant aufzubauen.
Auf dem Gutshof fuhr H. mit einem Lieferwagen vor, auf dem die Aufschrift „La Fontaine“ vorgauklen sollte, er sei Besitzer einer französischen Restaurantkette. Einer der Handwerker attestierte H. im Nachhinein „filmreife Auftritte à la Hauptmann von Köpenick“. Die geprellten Geschäftspartner hätten wohl „nur zu gern dem selbstsicher und weltmännisch auftretenden“ H. vertraut, stellte der Richter fest.
„Das ist die klassische Hochstaplermasche, wie hier vorgegangen worden ist“, sagte Ahlers: Mal hat der gelernte Elektroingenieur Waren unter dem Namen „Baron Graf H. von der Heyden“ bestellt, mal erzählte H. großspurig, er besitze „Weinberge in Frankreich“. Ein Zeuge will sogar gehört haben, wie der Angeklagte sich als ehemaliger „Leibwächter von de Gaulle“ bezeichnet habe. H.s Betrügereien hätten wohl „mitunter eine gewisse Eigendynamik bekommen“, so dass er seine Lügenmärchen „vielleicht irgendwann selbst geglaubt hat“, vermutete der Richter.
Dass H. die Freiheitsstrafe auch absitzen muss, ist unwahrscheinlich. Schon heute begibt sich der mittlerweile schwer kranke Mann, der während des Prozesses abwechselnd zum Tablettendöschen und zum Inhalationsspray griff, ins Krankenhaus, wo ihm ein Herzkatheder gelegt werden soll. jox