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Archiv-Artikel

Ganz Berlin eine Ostzone

Harald Wolf (PDS) will Wirtschaft durch Entbürokratisierung ankurbeln. Dafür fordert er eine Sonderwirtschaftszone für Ostdeutschland – und liegt auf einer Linie mit CDU- und SPD-Ministern

von UWE RADA

Der Anstieg der Arbeitslosigkeit in Berlin auf 18,5 Prozent lässt keinen Zweifel aufkommen. Wirtschaftlich liegt die deutsche Hauptstadt nicht im Westen, sondern in Ostdeutschland. Dass Berlin aber auch politisch im Osten liegt, hat Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) bekräftigt. Er erneuerte gestern seine Forderung für eine Sonderwirtschaftszone in Berlin und den neuen Bundesländern.

Mit einer solchen Zone, so Wolf, könnten neue Unternehmen gegründet oder in bestehenden Unternehmen mehr Arbeitsplätze geschaffen werden. Dafür sei es aber nötig, dass die Landtage in Ostdeutschland und das Berliner Abgeordnetenhaus ermächtigt würden, Bundesvorschriften abzubauen oder zu vereinfachen.

Mit diesem Vorstoß reiht sich Wolf in eine Linie mit dem sächsischen Wirtschaftsminister Martin Gillo (CDU). Der hatte vor kurzem ein zehn Jahre dauerndes „Modellprojekt Ost“ gefordert, mit er die „unternehmerische Freiheit“ wiederherstellen möchte. Gillos Rezept: die Lockerung des Kündigungsschutzes und die Verlängerung von befristeten Arbeitsverhältnissen. Zudem möchte der Christdemokrat den Betrieben erlauben, vom Flächentarifvertrag abzuweichen.

So weit will Wolf allerdings nicht gehen. Bislang sei noch kein Nachweis erbracht, dass der Kündigungsschutz notwendige Einstellungen verhindert habe, sagte sein Sprecher Christoph Lang zur taz. Außerdem sei der Flächentarif in der betrieblichen Realität im Osten längst nicht mehr existent.

Was Wolf aber fordere, so Lang, sei eine Entbürokratisierung, die vor allem den Unternehmen schnelle Genehmigungen ermögliche. Als Beispiel nannte der Sprecher Bauvorhaben, die nicht mehr langwierig in ein Genehmigungsverfahren, sondern nur noch angekündigt werden müssten. „Wenn die Behörde dann nicht innerhalb einer bestimmten Zeit reagiert, gilt der Antrag als genehmigt.“

Auch wenn sich der Sozialist Wolf mit solchen Vorschlägen zur „Entbürokratisierung“ von seinem CDU-Kollegen in Sachsen mit dessen Forderung nach „Deregulierung“ unterscheidet, sind sich beide allerdings einig, dass der Bund ein Signal an die neuen Länder geben muss. Das sieht inzwischen auch Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) so. Bereits im November hatte Clement im Handelsblatt einen „umfassenden Bürokratieabbau“ angekündigt, der vor allem Ostdeutschland zugute kommen soll. Bis Februar nun will Clement dem Bundestag eine Vorlage für eine Grundgesetzänderung vorlegen. Mit einer Zweidrittelmehrheit könnte das Parlament den Bundesländern ermöglichen, unter bestimmten Bedingungen Bundesgesetze wie den Tarifvertrag oder den Kündigungsschutz außer Kraft zu setzen.

Unumstritten ist das Vorhaben allerdings nicht. Als der Minister für den Aufbau Ost, Manfred Stolpe (SPD), sich vor einigen Wochen für betriebliche Bündnisse für Arbeit in Ostdeutschland stark machte, kam der Protest der Gewerkschaften prompt.

Auch den Grünen ist mit einer solchen Politik nicht wohl. „Natürlich müssen wir uns eingestehen, dass Berlin keine Insel der Glückseligen ist, sondern sich seiner Umgebung auch anpassen muss“, sagt die wirtschaftspolitische Sprecherin der Berliner Grünen, Lisa Paus. Entscheidend sei aber, wie man damit umgeht. Statt einer Lockerung des Kündigungsschutzes und einer Aufhebung des Flächentarifvertrags plädierte Paus deshalb für eine verstärkte steuerliche Förderung von Investitionen in den neuen Bundesländern. „Das schließt auch die mögliche Senkung des kommunalen Einkommensteuerhebesatzes mit ein.“

Erwatungsgemäß noch ablehnender ist die Reaktion von DGB-Landeschef Dieter Scholz. Der Mangel an Arbeitsplätzen sei nicht durch Deregulierung, Flexibilisierung und Leistungskürzungen zu beheben, verkündete Scholz. Der Senat müsse „endlich begreifen“, dass Einschnitte bei Löhnen und Gehältern sowie Streichungen bei Investitionen nur die konjunkturelle Flaute verschärften. Notwendig sei stattdessen eine stärkere öffentlich geförderte Beschäftigung, um den Verlust an Jobs zumindest teilweise zu kompensieren. Zugleich forderte er von der Bundesregierung ein Umsteuern in der Wirtschafts- und Finanzpolitik.