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Archiv-Artikel

Pfefferminzdrageedesignerparty

Kreischende Teenies, Wangen küssende Promis und leider keine Auszeichnung für die „Mädchen vom Immenhof“. Dafür wurde die „Goldene Kamera“ schon mal an talentfreie Daily Soaps verliehen. Hauptsache, die Gala brummt (Freitag, 21.15 Uhr, ZDF)

von JENNI ZYLKA

Spät abends, nach dem Fest, möchten die vor dem Berliner Konzerthaus stehenden und beim „Boriiiiiissss!!!“- und „Sashaaaaa!!“-Rufen heiser gewordenen Teenies den Saalausweis nicht annehmen. „Aber damit könnt ihr euch reinschmuggeln!“ Nö. Wollen sie nicht. Wollen lieber draußen bleiben und sich nur vorstellen, dass drinnen Hugh Grant die Damen anwitzelt, dass Boris Becker Champagnerkübel leert und Sasha mit No-Angels-Lucy flirtet. Denn eine Promiparty funktioniert vor allem, wenn man dran glaubt, dass sie funktioniert. So wie Prominente auch nur funktionieren, wenn man an sie glaubt.

Patricia Riekel zum Beispiel, die Bunte-Chefin. Wenn man sich vor Beginn der Gala unauffällig an ihre Fersen heftet (und Unauffälligsein fällt bei einer solchen Menge Auffälligkeiten nicht schwer), kann man mehr Wangenküsse zählen, als der durchschnittliche Russe in einem langen Leben einsammelt. Sogar auf dem Klo kennt Patricia Riekel jede: Nina Hagen, die ihrerseits aber Riekel nicht sofort erkennt. Vielleicht unterhält sie sich auch einfach lieber in anderen Räumen. Das Klo sollte man während der Veranstaltung, die Thomas Gottschalk gewohnt stutenbissig im großen Saal abmoderiert, übrigens besser nicht mehr besuchen. Sonst verpasst man noch Ulla Kock am Brink oder Mike Krüger. Das würde man sich nie verzeihen.

Die Verleihung der Goldenen Kamera, des Film- und Fernsehpreises der Hörzu, fand zum 38. Mal statt, das erste Mal mit einer „Academy“. So eine Academy macht sich immer gut: Erstens ist jeder Preis, den sie verleiht, ein Academy Award. Zweitens kann man davon ausgehen, dass ihre Mitglieder zur Gala kommen und dafür sorgen, dass die Teenies schreien. Und drittens klingt Äckädämmie schön international. Die Hörzu-Academy besteht aus 78 Ex-PreisträgerInnen, den Vorsitz hat Evelyn Hamann. Diese Gruppe nominierte KandidatInnen in Kategorien wie „Beste/r internationale/r Schauspieler/in“ (Hugh Grant und Salma Hayek, das posaunten die Spatzen schon seit Wochen von den Springer-Dächern), „Bester Fernsehfilm“ („Die Hoffnung stirbt zuletzt“), „Beste Boulevard-TV- Moderation“ (das ist aber nicht eine Art Goldene Zitrone, sondern ein echter Preis, und „Brisant“-Moderatorin Griseldis Wenner freute sich tatsächlich). Und die Hörzu-LeserInnen wählten unter anderem die „Beste deutsche TV-Serie“: „GZSZ“. Was bemerkenswert war, weil die Laudatorin zu dieser Talentfreie-Menschen-in-schlimmen-Kulissen-Show, Familienministerin Renate Schmidt, eine flammende Rede gegen Schund im „überflüssigen Fernseher im Kinderzimmer“ hielt. Also eigentlich gegen die soeben preisgekrönte Serie. Danach geriet Frau Schmidt ins Plaudern und verriet, dass ihre Lieblingsserie „Wir Mädchen vom Immenhof“ war, ist und immer bleiben wird. Was erneut verwirrte. Aber vielleicht ja auch von den kundigen Cuttern in der Version, die am Freitag im Fernsehen läuft, herausgeschnitten werden könnte.

Genau wie alles von und mit Helmut Lotti, dem belgischen Terroristen. Wieso der nun im Fernsehen herumspringen darf, ist ein Mysterium. Vor gar nicht so langer Zeit hörte man von ihm durch merkwürdige Pfefferminzdragees. Wenn man die kleinen Kugeln lange genug lutschte, brachen sie auf und eine minzige Flüssigkeit trat aus. Auf der Packung stand „Voice Pearls by Helmut Lotti“ und darunter „Für meine frische und kristallklare Stimme!“. Also nur für Lottis Stimme. Aber Lotti ist offensichtlich nicht nur Pfefferminzdrageedesigner, sondern der neue Star am Klassik-Pop-Himmel, wo auch immer dieser Himmel hängt. Irgendwo über dem Gendarmenmarkt, vermutlich.