Rechte Gewalt in Ost und West

Innenverwaltung: 35 rechte Gewaltdelikte in einem Jahr. Berlin ungefährlich mit Migranten. Grüne skeptisch

Drei Monate dauerte es, bis die Innenverwaltung eine parlamentarische Anfrage der Grünen nach der Zahl rechter Gewalttaten beantwortete. 38 Gewaltdelikte „aus antisemitischer, fremdenfeindlicher und rechtsextremer Motivation“ registrierten die Sicherheitsbehörden zwischen Oktober 2001 und September 2002. Für den Rest des Jahres liegen noch keine offiziellen Zahlen vor. Trotzdem deutet sich schon jetzt eine leichte Zunahme an. 2001 wurden offiziell 35 rechte Gewalttaten gezählt. Spitzenreiter unter den Bezirken ist Marzahn-Hellersdorf mit registrierten Delikten. Dass rechte Gewalt keineswegs nur in Ostbezirken auftritt, bemerkten Opferhilfeorganisationen wie die Beratungsstelle „Reach Out“ seit langem. So liegen denn auch Lichtenberg und Charlottenburg-Wilmersdorf – wo im März 2002 unter anderem ein neonazistischer Sprengstoffanschlag auf das Grab von Heinz Galinski verübt wurde – mit je sechs rechten Gewalttaten gleichauf.

Innensenator Erhart Körting (SPD), dessen Ressort aktuellere Zahlen wie ein Staatsgeheimnis hütet, nimmt die Statistik als Beweis, dass „Berlin keine gefährliche Stadt für Minderheiten“ ist. Özcan Mutlu, migrationspolitischer Sprecher der Grünen, sieht dagegen keinen Grund zur Entwarnung. Der Senat müsse darauf hinwirken, dass „sich alle Bewohner in allen Stadtgebieten gleich sicher fühlen vor fremdenfeindlichen Übergriffen“, so Mutlu zur taz. Die Statistik zeige zudem, dass das senatseigene „Zehn-Punkte-Programm gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ nicht ausreichend sei.

Für Helga Seyb von der Beratungsstelle „Reach Out“ sind mit den Antworten der Innenverwaltung keineswegs alle Fragen beantwortet. Körting solle die Zahlen künftig monatlich veröffentlichen und erklären, nach welchen Kriterien Polizisten Straftaten als „rechts motiviert“ melden würden. „Nur so ist ein Abgleich zwischen Statistik und Realität möglich“, so Seyb.

Reach Out kritisiert zudem, dass es innerhalb der Polizei immer noch an Sensibilität für die Opfer mangele. So sei ein Mosambikaner, der im Juni 2002 von Rechten in Hellersdorf angegriffen wurde, seit dem Prozess gegen die Täter weiteren Bedrohungen aus der rechten Szene ausgesetzt. Als der Mann daraufhin Anzeige stellen wollte, hätten Polizeibeamte ihn aufgefordert, erst einmal die Namen seiner Peiniger in Erfahrung zu bringen. HEIKE KLEFFNER