: berlinale szenen Auf der Potsdamer Straße
Kaffee mit Woody Allen
Damit der Potsdamer Platz uns nicht vollkommen vereinnahmt, ist es wichtig, frühzeitig Fluchtmöglichkeiten zu finden. Die Potsdamer Straße ist zwar hässlich, bietet aber immerhin die Joseph Roth Diele, mit gutem Zeitungsangebot, Kuschelecke und lecker Hackbrötchen.
Abends bleibt natürlich das gute alte Kumpelnest zum Besaufen. Nachmittags lässt sich mit dem Rad relativ schnell das Café Einstein in der Kurfürstenstraße ansteuern. Bei Möbel Hübner sollte man sich allerdings vor der Parkplatzschranke hüten. In die bin ich vor Jahren reingerast, weil sie direkt vor mir zuging. Meine Nase blutete zwar, war aber so stabil, die Schranke zu verbiegen. Ein Arschlochautofahrer nutzte die Gelegenheit, um die Polizei zu rufen: Ich hatte ja einen Schaden angerichtet.
Wer diese Hürde nimmt, lädt sich selbst zur Belohnung zum Kaffee ein. Das Einstein hat zwar weniger Zeitschriften als früher (in den Achtzigern las ich hier gern dekadent den englischen NME), ist aber nicht pleite zu kriegen (Milchkaffee 4 Euro). Um 15 Uhr gibt’s frischen Apfelstrudel. Die Besucher sind scheinbar die letzten Gewinner der Old Economy. Menschen unter 50 kommen hier nicht rein, es sei denn, es sind superhübsche Mädchen. Die fehlten diesmal, stattdessen sah ich Top-Feuilletonisten wie Broder und Karasek, der ja bekanntlich Woody Allen kennt und hinter seiner FAZ Zigarre paffte. Sofort bekommt man wieder Lust auf Kino. ANDREAS BECKER