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Archiv-Artikel

Deftige Adaption

Kilian Hattstein bringt am Neuen Cinema Herman Melvilles „Moby Dick“ gehörig ins Schlingern

Die US-Flagge am schlaffen Drahtseil will einfach nicht halten. Auch sonst scheint der Kahn eher marode. Kein sicheres Schiff weit und breit, das sich zum Sturm auf den weißen Wal aufmacht. Stattdessen wird erstmal eine Pulle Whiskey in die Runde gereicht – und geübt mit den Sitzenden im Saal, wie sich mit den Holzstühlen Schiffsgeräusche erzeugen lassen.

Herman Melvilles Moby Dick gilt manchem als Keimzelle der amerikanischen Weltbefreiungslogik. Darin macht sich ein größenwahnsinnig sich gebärdender Kapitän Ahab auf, die Feinde der Weltmeere zu bekämpfen, und sei es die Sonne. Davon ist bei der Uraufführung von Moby Dick. Auf der Suche nach der weißen Qwal im Neuen Cinema erwartungsgemäß nichts zu sehen. Doch der Untertitel lehrt das Fürchten: „Ein Splatter-Abend für frisch Verliebte“.

Einen 1000-Seiten-Roman in einen 80-Minuten-Abend zu pressen ist ein unmögliches Unterfangen, und so hat sich Regisseur Kilian Hattstein anders besonnen. Wahrscheinlich hat er den Roberto Rodriguez-Streifen From Dusk till Dawn neu entdeckt, ein Roadmovie, das urplötzlich in aberwitzigen Splatter mündet. Er griff sich die beiden musikbegabten Schauspielhaus-Lausejungs – den Sänger und Schauspieler Nicolas Rosat und den Pianisten Philipp Haagen – und sperrte sie mit Hilfe seines Ausstatters Frank Tilmann Otto auf ein „Schiff“ vor einer Leinwand mit Mikrobenstandbild.

Dort legen sie liebevoll einen geduldigen Zeitlupen-Slapstick hin. Unermüdlich wiederholen sie sinnlose Handlungen, schieben Pennertüten an Drahtbügeln von links nach rechts und von oben nach unten. Ziehen kreischende Teewagen hinter sich her und wenden sich auf sägenden Drehstühlen. Dazwischen beklagt Rosat die „bleierne Eintönigkeit auf hoher See“, die „zum Kotzen“ sei und wendet sich prompt in den offenen Flügel. Haagen gibt den jähzornigen Kapitän, dessen abstoßend grimassierendes Gebaren nur mit dem Aufschrei „Tod den Lebenden“ zu stoppen ist.

An diesem Punkt gerät die Inszenierung schwer ins Schlingern. Vollends aus dem Ruder läuft sie beim Eintreffen des „weißen Wales“. Der nämlich ist blond, langbeinig und trägt weiße Dessous mit Shell-Logo unter einem Terroristentrench. Dazu singt und kreischt sich Wiebke Mauss um Kopf und Kragen, und der erste Steuermann gibt alsbald seinen Verstand an der Kajüte ab. Dieser Moby Dick ist eindeutig eher was für Freunde deftigen Low-Budget-Trashs. Caroline Mansfeld

weitere Vorstellungen: Sonntag, Montag sowie 18. und 19.2., jeweils 20 Uhr, Neues Cinema