Der dekorative Tod

Malerei nach dem Kino: Bildkompositionen setzen sich fest. Die Landschaft wird zum Ort, an dem gleich ein Unfall passieren muss. Wozu sonst sind Straßen da. So sieht es zumindest aus in den Bildern von Christine Weber

Ein Todesspiel mit Ausschneidefiguren: Malerisch sind die Leichen und Verletzten in den Bildern von Christine Weber über den Asphalt der Straße und die grüne Böschung verstreut, schön kalkuliert die Farbtupfer, gut getimt die Faktoren der Unruhe und des Unheimlichen in einer stillgestellten Landschaft. Kein Auto ist in diesem Szenario eines Unfalls zu sehen, nur einmal rennt ein Mann aus dem Bild. Sonst scheint die Szenerie wie eingefroren. Im Hintergrund wird die Wildnis zum Ornament. Wie Licht und Laub ineinander greifen, als glühendes Fleckenmuster in Orange und Rosa, das erinnert an die flächige Malweise von Matisse und die gewagten Farben von Gauguin.

Präsenter aber ist ein dritter Franzose: Als Vorlage für ihren Bilderzyklus „weak end“ benutzte Christine Weber Filmstills aus Jean-Luc Godards Film „Weekend“. Und bearbeitete sie zuerst tatsächlich mit den Funktionen „Ausschneiden“, „Kopieren“ und „Einfügen“ am Computer, bevor sie sich an die Leinwand setzte.

Christine Weber arbeitete als Schneiderin und am Theater, bevor sie Kunst studierte. Für ihre ersten Bilder arrangierte sie Körper wie ein Stillleben. Das Konzept ihrer Malerei hat sich seitdem weiterentwickelt, die Aufmerksamkeit für das Arrangierte und Komponierte aber ist geblieben. Nur dass sie jetzt nicht mehr die eigene Befindlichkeit in ihren Bildkompositionen sucht, sondern lieber vorgefundene Konstruktionen weitertreibt. Dahinter steht die Hoffnung auf eine Eigendynamik der Bilder, eine Enthüllung ihrer tiefsten Geheimnisse. Irgendwo muss der Punkt des Umschlags doch kommen, an dem sich das vorgefundene Material als Projektionsfläche eines allgemeinen Imaginären zu erkennen gibt und mehr über die Wünsche seiner Rezipienten denn über seine Autoren zu erzählen beginnt.

Christine Webers Malerei ist durch die Geschichte des Films und der Fotografie hindurchgegangen. Schon vor sechs Jahren war das Moment der Zeit und wechselnder Einstellungen, mit denen ein Motiv mehrfach aus leicht verschobenen Blickwinkeln eingefangen wurde, entscheidend für ihre Bilder. So malte sie etwa die Landschaften, die bei einer Autofahrt hinter nassen Scheiben verwischt und doch auch gemütlich vorbeizogen. Die Serie kleiner Bilder beleuchtete nebenbei einen fast vergessenen Aspekt der Wahrnehmung: Wir sehen mehr Straßenränder als sonst was von der Welt.

Heute sind ihre Bilder kälter geworden, der malerische Aufwand zieht sich immer mehr auf eine plakative Ökonomie zurück. Nichts ist mehr geblieben von einem expressiven Pinselgestus. Die glatten, dünnen Farbflächen sähen eher wie gedruckt denn wie gemalt aus, wenn nicht an den Rändern, dort, wo zwei Flächen zusammenstoßen, die helle Leinwand durchschimmern würde. Das ist der Rest eines malerischen Gestus, mit dem sie dann doch ihren Abstand von den Vorlagen zu erkennen geben.

Im Raum für Neue Kunst von Boris Abel zeigt sie sechs Bilder aus dem „weak end“-Zyklus und eines zu „Kika“ nach einem Film von Pedro Almodóvar. Sie alle verbindet eine Zurschaustellung der Körper mit sexuellen Konnotationen. Der Tod und die Katastrophe: sie sind in den Medien zu Dienstleistern geworden, die einer voyeuristischen Schaulust ständig neue Nahrung liefern. Die Auslieferung an den Blick, das Verweben der hilflosen Körper in das Design der Umgebung: es ist ein spannendes und gefährliches Spiel, gerade weil die offensichtliche Künstlichkeit der Situation ihre Vorstellung als Realität nicht mehr ausschließt. Denn das nicht mehr Glaubwürdige, das weiß man in Zeiten der inszenierten Realität, ist kein Garant mehr für bloße Fiktion.

KATRIN BETTINA MÜLLER

Christine Weber: „weak end“. Abel, Raum für Neue Kunst, Sophienstr. 18, 10178 Berlin, Mi.–Sa. 14–19 Uhr, bis 8. März