: Die Parkwirtschaft
In Cottbus fördert die EU die Sanierung des Fürst-Pückler-Parks. Das nützt dem Image der Region
aus Cottbus UWE RADA
Was verbindet man eigentlich mit Cottbus? Berthold Ettrich lässt sich Zeit, bevor er die Frage beantwortet. „Den FC Energie“, sagt er schließlich, „auch das Staatstheater. Und hoffentlich bald Fürst Pückler.“ Eine wilde Mischung für eine 110.000-Einwohner-Stadt am östlichen Rande Deutschlands.
Eine wilde Mischung ist auch das, was die Europäische Union in Ostdeutschland fördert. Kleine und mittlere Unternehmen gehören ebenso dazu wie der in der Provinz unvermeidliche Kreisverkehr, deutsch-polnische Schulprojekte und die ländliche Entwicklung, zu der irgendwie nicht nur die Landwirtschaft gehört, sondern auch die Kulturszene. 20 Milliarden Euro bekommen die ostdeutschen Bundesländer einschließlich Ostberlins in den Jahren 2000 bis 2006 für diesen Aufbau Ost, made in Brüssel. Doch mit dem Geldsegen könnte es bald zu Ende sein. Auch in Cottbus.
Vorerst will Berthold Ettrich nicht daran denken. Vorerst hat er genügend mit seinen Baustellen zu tun. 7 Millionen Euro kostet die Sanierung der denkmalgeschützen Gutsökonomie auf dem Gelände des Pückler-Parks in Cottbus-Branitz. Die Hälfte von dieser Summe steuert die EU aus ihrem Efre-Topf bei, 33 Prozent finanziert der Bund, 17 Prozent die Stadt Cottbus.
Made in Brüssel, das bedeutet in Branitz die Sanierung alter Rinderställe, der Neubau des ehemaligen Ökonomiesees und die Renovierung des Gutsinspektorenhauses. „Mit der Sanierung der Gutsökonomie“, sagt Berthold Ettrich, der Vorsitzende der Stiftung Fürst-Pückler-Museum Park und Schloss Branitz, „schaffen wir ein neues Besucherzentrum im Pückler-Park und schließen eine entscheidende Lücke im Tourismuskonzept der Stadt.“
Eine Aufwertung des Schlossparks Branitz hat Cottbus auch dringend nötig. Zwar hatte die 1995 nach Cottbus geholte Bundesgartenschau die Niederlausitzer vorerst vor jener Depression bewahrt, die zu dieser Zeit schon in anderen Städten und Regionen zwischen Ostsee und Thüringer Wald grassierte.
Mittlerweile sind aber auch die Cottbusser Blütenträume zerstoben. Die Arbeitslosenquote ist auf 21,6 Prozent geklettert, und in Sachsendorf-Madlow, der größten Plattenbausiedlung Brandenburgs, stehen die Wohnungen ebenso leer wie in Schwedt oder Hoyerswerda. Von den 129.000 Menschen, die zur Wende in Cottbus lebten, haben inzwischen 20.000 die Stadt verlassen, und ein Ende der Abwanderung ist nicht in Sicht. Bis zum Jahr 2015, schätzt das Statistische Landesamt, werden weitere 15.000 fortziehen. Auch in Cottbus heißt das Zauberwort deshalb Kultur und Tourismus.
Und da stehen die Karten eigentlich gar nicht schlecht. Im Blaubuch der Staatsministerin für Kultur, Christine Weiss, zählen die beiden Pückler-Parks in Bad Muskau und Cottbus-Branitz inzwischen zu den kulturellen Leuchttürmen Ostdeutschlands. Doch im Vergleich zum 500 Hektar großen, die Grenze zu Polen überschreitenden Park in Bad-Muskau, ist der nur 100 Hektar große Branitzer Park über dessen Schatten nie hinausgekommen.
„Zu Unrecht“, sagt der gelernte Kulturhistoriker Berthold Ettrich. „Branitz ist nicht nur das Spätwerk von Pückler, es ist auch sein reifstes.“ Vor allem aber ist das 1846 begonnene Werk sein schillerndstes. „Aus einer Sandwüste“, rühmte schon zur Bauzeit die Berliner Salondame Rahel Varnhagen, „ist unter Pücklers Händen ein Paradies geworden.“
Künstliche Hügel wurden angelegt, riesige Erdmassen verschoben und sogar zwei Pyramiden angelegt, in deren einer die Grabstätte des Fürsten und seiner Frau Lucia liegt. Die Summe, die der „Erdbändiger“, wie Pückler von Rahel Varnhagen genannt wurde, beim Verkauf seines Muskauer Anwesens erzielt hatte, reichte allerdings nicht zur Gestaltung des neuen Wohnsitzes aus. Diesem Dilemma ist die Gründung der Gutsökonomie geschuldet. In den riesigen Stallungen wurde fortan das Geld erwirtschaftet, das dem Bau der blühenden Landschaft fehlte. Wenn man so will, hat Hermann Fürst von Pückler damit die Parkwirtschaft erfunden.
Ist Pückler damit mehr als nur Erbauer eines der schönsten englischen Gärten, den es in Deuschland gibt? Matthias Zickora, Verwaltungsleiter der Branitzer Stiftung, findet ja. „Immer für ein Abenteuer gut, immer in Geldnöten, Pückler ist aktuell.“ Das betrifft vor allem die Geldnöte der Stiftung. „Die 7 Millionen Euro, die wir bisher zur Verfügung haben“, sagt Stiftungsleiter Ettrich, „reichen gerade einmal für die Wiederherstellung der baulichen Hülle. Das Besucherzentrum, die Ausstellungshalle und das Restaurant sind damit noch nicht gebaut.“
Für diese Vorhaben will Ettrich einen neuen Antrag bei der EU stellen. Doch mit der Neuordnung der europäischen Strukturförderung ist eine Finanzierung mehr als fraglich geworden. Für Ettrich ein Dilemma. „Einerseits verstehe ich, dass die Gelder nun in die Beitrittsländer gehen, weil die oft einen noch niedrigeren Standard haben, als es bei uns 1989 war.“ Zum anderen aber brauche man eine Anschlussförderung, um die touristische Lücke in Branitz auch wirklich schließen zu können.
Ob die Stadt Cottbus in die Bresche springt? Noch jedenfalls tun sich die Stadtväter schwer, den Fürsten als einen „Helden wie wir“ anzuerkennen. Als mit der Bundesgartenschau auch ein neues Leitbild kommen sollte, konnte sich der Vorschlag „Fürst-Pückler-Stadt“ jedenfalls nicht durchsetzen. Cottbus, dachten die Stadtväter wohl, sollte mehr sein als blühende Parkwirtschaft und ein ungewolltes Symbol für eine postindustrielle Zukunft.
So blieb zumindest die Leitfigur die alte – der Cottbusser Postkutscher. Und gehört nicht auch der Zungenbrecher „Der Cottbusser Postkutscher putzt den Cottbusser Postkutschkasten“ zu den Dingen, die man mit Cottbus in Verbindung bringt?