: Der rheinische Patient
Nach dem 1:2 beim VfL Bochum meldet sich Klaus Toppmöller in Leverkusen krank. Manager Reiner Calmund verlängert das Ultimatum für den ehemaligen Erfolgstrainer dennoch – um eine Woche
aus Bochum MARTIN TEIGELER
Klaus Toppmöller hat mal wieder ein Endspiel verloren. Acht Monate nach der Niederlage im Champions-League-Finale gegen Real Madrid unterlag Bayer Leverkusen am Samstag in Bochum mit 1:2. Das Spiel bei Toppmöllers Exklub war von den Bayer-Verantwortlichen zum ultimativen Schicksalsspiel für den Fußballlehrer ausgerufen worden. Der Bochumer Anhang bewertete den VfL-Sieg denn auch als Entlassungsgrund: „Schade, Toppi, alles ist vorbei“, sangen die VfL-Fans. Tabellenfünfzehnter, schlechtestes Rückrundenteam – nach anderthalb Dienstjahren hat der Bayer-Coach abgewirtschaftet. Die gestrige Krisensitzung sagte Toppmöller wegen einer Magen-Darm-Grippe ab. Manager Reiner Calmund drohte dem Trainer unterdessen mit einem weiteren Endspiel – am Samstag gegen Hansa Rostock.
Die 90 Minuten im Bochumer Ruhrstadion waren eine Reprise der laufenden Bayer-Saison. Leverkusen hatte seinen Anteil an einem unterhaltsamen Fußballspiel, musste jedoch wie so oft in dieser Spielzeit verletzte Leistungsträger auswechseln und die Punkte dem Gegner überlassen. Der dreimalige Vize-Champion bestimmte ohne die gesperrten Bastürk und Ramelow die erste Spielhälfte vor 20.643 Zuschauern. Die Mehrheitsverhältnisse zwischen den beiden Strafräumen sprachen für Bayer. Doch Marko Babic und Neuzugang Radoslaw Kaluzny beendeten die zumeist vom kommissarischen Kapitän Bernd Schneider inspirierten Spielzüge mit mangelhaften Torabschlüssen. Der VfL Bochum hingegen verließ sich in der ersten Halbzeit ganz auf seinen starken Torwart Rein van Duijhoven – mit Erfolg.
„Sehr schnelle Lerneffekte“ attestierte VfL-Trainer Neururer seiner Elf denn auch rückblickend. Nach der Pause nämlich agierte der Aufsteiger spielstark wie zu Saisonbeginn. Der altmodische Regisseur Dariusz Wosz und der neue Bochumer Star Paul Freier bedrohten Bayer nun mit ihrem zuletzt fehleranfälligen Kurzpassspiel. Unterstützt wurden sie vom linken Außenstürmer Delron Buckley, den Neururer zur Halbzeit eingewechselt hatte. Auch die neu zusammengesetzte Innenverteidigung um den Niederländer Anton Vriesde stabilisierte jetzt das Bochumer Spiel. Eine erste Großchance nach einem Flankenlauf Buckleys verstolperten noch Freier und Thordur Gudjonsson, die sich im Fünfmeterraum über den Haufen liefen. Bayer hielt dagegen, auch als Toppmöller den kränklichen Angreifer Oliver Neuville kurz nach Wiederanpfiff austauschen musste. In der 68. Minute brach das Spiel des Vizemeisters dann aber zusammen: Zunächst verletzte sich Diego Placente an der Nase, Sekunden später profitierte der eingewechselte Iraner Vahid Hashemian von der Umstellung in der Bayer-Abwehr und traf nach einem Gudjonsson-Assist aus 15 Metern zum 1:0.
Die Leverkusener reagierten mit gesteigerter Passivität und schienen die hämischen Gesänge des Publikums bestätigen zu wollen. „Toppi ist bald arbeitslos“, johlten die Bochumer Fans und stöhnten auf, als Bayer-Torwart Jörg Butt einen potenziellen 2:0-Schuss von Wosz abwehrte. Leverkusens überraschendes 1:1 durch Babic passte nicht in den fatalistischen Ablaufplan dieses Nachmittags und wurde folgerichtig sechs Minuten später abermals von Hashemian nach einer Buckley-Flanke storniert. Der Rest war Bochumer Ballhalten im Mittelfeld.
„Das Pech ist uns treu geblieben“, machte Toppmöller anschließend die Ausfälle von Placente und Neuville für die zehnte Saisonpleite verantwortlich. Er sei nach dieser „sehr unglücklichen Niederlage“ bereit weiterzuarbeiten. Nationalspieler Bernd Schneider behauptete, die Mannschaft habe für Toppmöller gespielt. „Hoffnung gibt es immer“, sagte Oliver Neuville, der Stürmer von trauriger Gestalt. Die restlichen Bayer-Profis stammelten von „nicht aufgeben“, von Abstiegskampf und beklagten eine „Seuche“. Vielleicht ist die Leverkusener Krankheit ja ansteckend. Bochums Schindzielorz zog sich einen Innenbandriss zu, was die Freude von VfL-Trainer Peter Neururer über einen „verdienten Sieg“ trübte.
Seinen Spieler Jan Simak hatte Klaus Toppmöller unlängst als Pflegefall bezeichnet. Wie ein solcher musste sich der Bayer-Trainer am Samstag selbst vorkommen. Bei der Pressekonferenz stellten die Journalisten nicht eine einzige Frage und nahmen Toppmöllers Spielanalyse rücksichtsvoll schweigend zu Protokoll, als handele es sich dabei um ein letztes, niederschmetterndes Bulletin. Auch der gegnerische Trainer verhielt sich wie bei einem Krankenbesuch. Neururer blickte dem Kollegen tief in die Augen und tätschelte ihm aufmunternd den Arm. Heute will Bayer-Manager Reiner Calmund „deutlich, offen und fair“ mit dem rheinischen Patienten reden.
VfL Bochum: Van Duijnhoven - Colding, Fahrenhorst, Vriesde, Reis - Gudjonsson, Schindzielorz (80. Mecihelbeck) - Freier, Wosz, Fiel (46. Buckley) - Christiansen (60. Hashemian)Bayer Leverkusen: Butt - Zivkovic, Juan (28. Kleine), Cris, Placente - Schneider, Kaluzny, Bierofka, Babic - Berbatow, Neuville (61. Simak)Zuschauer: 20.643; Tore: 1:0 Hashemian (68.), 1:1 Babic (78.), 2:1 Hashemian (84.)