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Archiv-Artikel

Senat muss EU-Recht respektieren

Parallel zum Zechbau-Ausschuss hat der Senat drei Gutachten in Auftrag gegeben. Die Juristen Wieland/Hermes kommen zu einer heftigen Kritik der Verwaltung und erklären dem Senat, dass das EU-Recht höher steht als Wirtschaftsförder-Interessen

taz ■ „Unregelmäßigkeiten bei der Bauvergabe“ sollte der Untersuchungsausschuss „Bau und Immobilien“ (kurz: Zechbau-Ausschuss) untersuchen, und die hat es nach dem gestern veröffentlichten Minderheiten-Votum der Grünen in großer Anzahl gegeben. Die Liste der Vorwürfe gegenüber der bremischen Verwaltung ist lang, für den Grünen Matthias Güldner ist ein „System Zech“ deutlich geworden: Die Anfang der 90er Jahre unbedeutende Baufirma habe immer wieder unentgeltliche Vorleistungen für Projekte und staatliche Bauvorhaben erbracht und dadurch Bindungen der Entscheidungsträger hergestellt. Die Bindungen wurden flankiert durch eine erstaunlich lange Liste für Weihnachtspräsente, durch Angebote an diverse staatliche Entscheider, deren private Bau-Vorhaben preiswert und sogar unter Selbstkosten zu erledigen, und schließlich durch Spenden an Parteien und parteinahe Verbände. Von den Parlamentariern, die im Ausschuss das „System Zech“ untersuchen sollten, hatten drei selbst für ihre jeweiligen Vereinigungen Zechbau-Spenden entgegengenommen. Güldners Fazit: „Es ist abenteuerlich, wie meine KollegInnen die Fakten verharmlosen.“

Die Vertreter von SPD und CDU beharrten darauf, dass der Ausschuss im Grunde überflüssig gewesen sei. Derweil hat der Senat gestern allerdings die Ergebnisse von drei Gutachten zur Kenntnis genommen, mit denen die Landesregierung die Vorgänge analysieren und bewerten lassen wollte. Das sei „eine schallende Ohrfeige“ für die Ausschussmehrheit, sieht sich Güldner von diesen Gutachten bestätigt. Die Ingenieurkammer bemängelt zum Beispiel, dass in der bremischen Praxis oft am Anfang ein privater Interessent kostenlose Planungs-Überlegungen anstellt. Wenn für die ersten Planungen keine Verträge abgeschlossen werden, in denen Leistung und Gegenleistung definiert werden, dann bedeuten diese Vorleistungen eine moralische und rechtliche Bindung, kritisiert die Ingenieurkammer.

Sehr deutlich kritisieren auch die Juristen Prof. Joachim Wieland und Prof. Georg Hermes die bremische Verwaltungspraxis. Im Falle „Ostkurve“ des Weserstadions etwa, so stellen sie fest, sei „schwer nachvollziehbar, wie ohne Wettbewerb die Angemessenheit eines Angebotspreises kontrolliert werden konnte“. In Bremen fehle es an einer „bewussten Strukturierung und Segmentierung des Verwaltungshandelns“. Die Folge: Die Stadt kann über den Tisch gezogen werden. Die Juristen formulieren das höflicher, indem sie den Senat darüber aufklären, dass „private Unternehmer und Investoren legitimer Weise ihre Sonderinteressen verfolgen, die nicht notwendig, stets und vollständig mit den Interessen der Allgemeinheit identisch sind“.

Weiter heißt es in dem Gutachten: „Offenbar ist sich die Verwaltung nicht immer der Folgen einer frühzeitigen Selbstbindung bewusst gewesen.“ Das führe zu „Intransparenz des staatlichen Handelns im Rechtsstaat“ und sei „ein Problem“. Mit der Konstruktion einer „öffentlich-privaten Partnerschaft“ könne man nicht das EU-Recht „aushebeln“, das Mitbewerbern Chancengleichheit garantiert. Das EU-Recht stehe höher als das Interesse der Kommune an „Realförderung“ eines bestimmten Projektes oder Unternehmens, so die Juristen. Sie empfehlen dem Senat, für die staatliche Kontrolle Mitarbeiter auszuwählen, die über eine „hinreichende fachliche Qualifikation“ verfügen. „Regelmäßige Rotation“ sei zudem ein bewährtes Prinzip, um „Fehlentwicklungen entgegenzuwirken“.

Der Bremer Senat hat gestern noch keine Schlussfolgerungen aus dieser eindeutigen Kritik beschlossen, sondern das Thema auf den kommenden Herbst vertagt.

Klaus Wolschner