berliner szenen Spekulatius kaufen

Der Winter kommt

Grau. Morgens, mittags, abends. Wenn ich aus dem Fenster in den Himmel schaue, sehe ich dieses Grau. Bevor man versucht, die Farbe der gegenüberliegenden Hauswand genauer zu definieren, schaltet man lieber den Fernseher ein und alles wird knallbunt. Man muss sich keine Sorgen um meinen Gemütszustand machen, aber wenn sich die Zeit des freiwilligen Abendspaziergangs dem Ende zuneigt, entdeckt man dieses quadratische Gerät auf seinem TV-Tisch wieder und taucht ein in die Welt des Wahnsinns.

Ich konnte ja den Sommer über nicht ahnen, dass eine Frau namens Brigitte Nielsen bei RTL ihr abgesaugtes Fett zu wohltätigen Zwecken versteigert, vier Playboy-Bunnys auf ProSieben die „Wasserrutschen-WM“ veranstalten und Thomas Gottschalk immer noch diese merkwürdige Sendung moderieren darf. Wer sagt, ich würde in Sachen Wetter die Flinte zu früh ins Korn werfen, hat die Unmaßen von Stollen in den Supermärkten noch nicht entdeckt, die eiskalt klarmachen, dass nun Winter ist und es kein Entkommen gibt.

Dabei liebe ich den Winter und seine immer seltener auftretenden Wetterphänomene. Niemand hätte etwas gegen einen weißen Winter mit Kamin im Wohnzimmer und dem obligatorischen Weihnachtschor auf der Straße. Von diesen Träumen haben sich alle verabschiedet, die hier schon länger als sechs Monate leben oder keinen Kamin haben. Man flüchtet in gut geheizte Cafés oder gleich ins Bett. Wenn man also vorhat, diese Zeit unbeschadet und vielleicht sogar euphorisiert zu überstehen, habe ich einen uralten, aber immer noch gültigen Rat für Sie: So oft wie möglich gemeinsam im Bett bleiben, Spekulatius kaufen. Und den Fernseher unbedingt auslassen. JURI STERNBURG