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Archiv-Artikel

american pie Der Box-Karriere des Mike Tyson droht das Ende

Rhinozeros bleibt ungeprügelt

Ob das mutmaßlich endgültige Finale der notorischen Mike-Tyson-Show tatsächlich eine Verbesserung von Witali Klitschkos Chancen auf einen Kampf gegen Box-Weltmeister Lennox Lewis bedeutet, bleibt abzuwarten. Klar scheint, dass die Revanche gegen Tyson, welche der Brite wegen der gewinnträchtigeren Perspektiven einem Treffen mit dem Ukrainer jederzeit vorzieht, wohl kaum zustande kommen wird. Am Montag sagte Mike Tyson endgültig den für Samstag in Memphis geplanten Aufbaukampf gegen Clifford Etienne ab.

Bis vor einer Woche schien die Bedeutung dieses Auftritts auch dem 36-jährigen Exchamp klar zu sein. „Er hat mir gesagt, es ist das erste Mal seit langer Zeit, dass er wirklich Lust hat zu boxen“, berichtete sein Trainer Freddie Roach. Tyson selbst präsentierte sich körperlich in weit besserer Verfassung als bei seinen letzten Auftritten. Im vergangenen Juni, als er von Lennox Lewis in Memphis böse verprügelt wurde, sei er „fett und schwer“ gewesen, gab er zu, bevor er pflichtschuldigst seine üblichen Sprüche absonderte: dass nur er „das Boxen wirklich beherrschen“ könne; dass er Lewis beim nächsten Mal „den Schädel zertrümmern“ werde.

In den vergangenen Jahren hatte Mike Tyson stets den Eindruck erweckt, dass ihn nur noch das dringend benötigte Geld in den Ring treibe. Die Millionen, die er durch das Boxen verdient hatte, waren ihm nur so durch die Hände geflossen, sofern sie sein ehemaliger Manager Don King überhaupt dorthin gelangen ließ. Von den 17,5 Millionen Dollar, die er für den letzten Kampf gegen Lewis erhielt, wurden 12 Millionen sofort gepfändet. 6 Millionen kostete ihn erst die Scheidung von seiner zweiten Frau Monica Turner. Dass er für die Begegnung mit Clifford Etienne, der trotz seines Beinamens „Schwarzes Rhino“ als äußerst harmloser Geselle gilt, seine Box-Unlust ablegen würde, klang von vornherein wenig glaubhaft.

Trotzdem lief alles planmäßig – bis letzte Woche. Da erschien Tyson plötzlich nicht mehr zum Training, statt dessen ließ er sich ein riesiges Tattoo auf seine linke Wange platzieren. „Irgendein afrikanisches Stammeszeug“, so Roach.

Er sei krank, hieß es dann, eine Grippe war schließlich auch die offizielle Begründung der Absage, welche die Veranstalter in Memphis und den Sender Showtime hart trifft. Obwohl Tyson, seit er 1995 aus dem Gefängnis entlassen wurde, wo er wegen Vergewaltigung saß, nie wieder auch nur annähernd seine alte Stärke erreichte, blieb er mit seinem Killerimage, das er durch Ohrbisse, Schlägereien und andere Irrwitzigkeiten anreicherte, eine absolute Zugnummer. In Memphis lief der Vorverkauf bei Kartenpreisen von hundert Dollar zwar etwas schleppend, aber die Veranstalter rechneten angeblich mit 12.000 Zuschauern. „Memphis liebt Mike Tyson“, setzte Promoter Brian Young gar eine ganze Stadt dem Verdacht mentaler Verwirrung aus. Showtime bot den Abend inklusive eines Konzerts des Rappers Jay-Z und einiger Rahmenkämpfe, unter anderem das Debüt von Exeiskunstläuferin Tonya Harding, für knapp 25 Dollar als Pay-per-View an. In Deutschland wollte Premiere allen Ernstes stolze 15 Euro für das Tyson-Spektakel.

„Wenn er diesen Kampf nicht gewinnt, dann ist seine Karriere wohl vorüber“, hatte Trainer Roach befürchtet. Eine Absage unter dubiosen Umständen ist kaum besser. Der früheste Termin für eine Neuansetzung des Rhinozeros-Kampfes in der Pyramid von Memphis wäre der 22. März. Im Moment sieht es jedoch so aus, als sei sogar eine Revanche zwischen Muhammad Ali und Joe Frazier wahrscheinlicher, als dass Mike Tyson noch einmal boxt. „Lasst ihn sein Leben leben, welches auch immer“, rät Box-Promoter Bob Arum, „aber vergesst es, ihn in den Ring zu stellen.“

MATTI LIESKE