: Zukunft Gesundheit
„Komplexpauschalen“ und Qualitätskontrolle: Das Hamburger Gesundheitswesen von übermorgen
Zuviel Staat schadet ebenso wie gar kein Staat: Bei einer Diskussion zu der Frage „Zukunftsmarkt Gesundheit – Neue Klinikmodelle für Hamburg“ waren sich am Dienstagabend die Experten einig, dass der Staat auch künftig seine ordnende und kontrollierende Funktion bei der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung wahrnehmen muss. Auf Einladung des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK) und der Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik (HWP) diskutierten Moderator Thomas Schröder-Kamprad von der Landesunfallkasse Hamburg, Robert Pfeiffer vom LBK, der ehemalige SPD-Wissenschaftssenator Leonhard Hajen, Karl-Heinz Vorwig vom Elim-Krankenhaus und Hans-Martin Stubbe von der privaten CardioClinic im vollbesetzten Hörsaal der HWP.
Im Grunde begrüßten auch alle die Einführung der Fallpauschalen, so genannte DRGs, die nicht mehr Liegetage, sondern Behandlungen bezahlen. Und alle sagten in der Folge Konzentration und Fusion der Krankenhäuser voraus. Denn in dem neuen System werden nur die Großen überleben, nur sie können mit den Kassen attraktive Preise verhandeln. Hajen befürchtet allerdings, die DRGs könnten nur eine Episode einer Krankheit abbilden. „Es besteht deshalb die Versuchung, den Patienten so schnell wie möglich auf die anderen Sektoren abzuwälzen.“ Das sei weder gut noch günstig. Denn wenn ein Patient zu schnell entlassen wird, damit er die Kosten des Krankenhauses nicht zu sehr strapaziert, wird er umso länger den ambulanten Bereich belasten. Stubbe fordert deshalb „Komplexpauschalen“, die eine Krankheit von Anfang bis Ende abbilden.
Wird die Ökonomisierung im Gesundheitswesen zwangsläufig zu weniger Qualität führen? „Möglicherweise“, sagt Hajen. Denn der Mediziner hat immer einen Ermessensspielraum, und das neue System bietet Anreize, die Kosten zu Lasten der Qualität zu senken. Qualitätskontrolle sei deshalb vonnöten, „und zwar möglichst nicht durch die Selbstverwaltung“. Weil „Qualität kostet“, so Stubbe, müsse klar definiert werden, welche Qualität man wolle.
LBK-Mitarbeiter Pfeiffer warnte in diesem Zusammenhang noch einmal davor, den Landesbetrieb zu zerschlagen und einzelne Häuser zu verkaufen. „Dann wird ein Krankenhaus von Frankfurt, eines von München und eines vielleicht von Berlin aus geleitet.“ Damit könne man keine Hamburger Politik machen. Er plädierte deshalb dafür, den LBK komplett zu lassen und Anteile zu verkaufen. Denn die Stadt brauche einen Grundversorger, „und gerade aus der Größe kommen die Stärken in Kosten und Qualität“.
SANDRA WILSDORF