OFF-KINO
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Geschlagene elf Jahre lang hat der Regisseur und Modefotograf Steven Sebring die Musikerin und Poetin Patti Smith mit seiner Kamera begleitet. Das Ergebnis „Patti Smith: Dream of Life“ ist allerdings vor allem eine Selbstinszenierung der Künstlerin geworden, die in den späten 1970er-Jahren zum Vorbild vieler Sängerinnen der ersten Punk-Generation avancierte – weniger vielleicht aufgrund ihrer Musik als wegen ihrer Attitüde und ihres Aussehens. Etwas wie sie gab es vorher einfach nicht. Im Film geht es allerdings weniger um diese Ära als vielmehr um Smith’ eigene Einflüsse und Vorbilder. Sie redet über Literaten wie William Blake, Arthur Rimbaud und Alan Ginsberg, über den Fotografen Robert Mapplethorpe, dessen Urne sie zu Hause verwahrt, und über die Bedeutung der Bilder Willem de Koonings. Und bei all den manchmal etwas penetranten Selbstinszenierungen an den Gräbern berühmter Poeten erscheint Smith doch allemal recht sympathisch und insbesondere auch humorvoll und selbstironisch. Da erzählt sie etwa lustige Anekdoten darüber, wie es ihr gelang, von Bob Dylan die Gitarre gestimmt zu bekommen, oder sie erörtert die Schwierigkeiten von Frauen, in einmotorigen Flugzeugen zu pinkeln. Bei alledem wird auch deutlich, dass Patti Smith vor allem eine Frau des Wortes und eine Performancekünstlerin ist, für die Musik vornehmlich als Transportmittel für ihre Poesie dient.

Auch der 1992 an den Folgen von Aids verstorbene Musiker Arthur Russell hatte Verbindungen zur New Yorker Avantgardeszene: Er begleitete den Dichter Allen Ginsberg bei dessen musikalischen Ausflügen gern auf dem Cello. Wirklich Karriere machte Russell jedoch nicht, wie der Filmemacher Matt Wolf in seiner Doku „Wild Combination: A Portrait of Arthur Russell“ feststellt. Denn Russell war wohl zu wenig festgelegt, viel zu wenig greifbar, um ein großes Publikum zu finden: Mal trat er als eine Art Singer-Songwriter in Erscheinung, dann erzielte er seine größten kommerziellen Erfolge unter dem Pseudonym Dinosaur L mit innovativen Discoplatten. Einerseits interessierte ihn ständig etwas Neues, andererseits wollte er seine alten Sachen immer noch einmal überarbeiten: Russell bekam selten etwas fertig – sein letzter Lebensgefährte steht daheim mit hunderten halbfertigen Tapes.

Ein Stück weit geht es auch in Arthur Ripleys „Thunder Road“ (1958) um Musik: Die wilde Countrymusik, die bei den waghalsigen nächtlichen Autofahrten des Whiskyschmugglers Lucas Doolin (Robert Mitchum) erklingt, der sich von Polizisten ebenso fernhalten muss wie von den Vertretern des organisierten Verbrechens, beschreibt auch die Mentalität der Bewohner des ländlichen Tennessee in den 1950er-Jahren: Das Schwarzbrennen von Alkohol und sein Schmuggel stellt eine eigene Lebenskultur und einen Ausdruck von Freiheit dar, die man gegen den Staat zu verteidigen bereit ist. Mitchum selbst war die treibende Kraft hinter diesem Filmprojekt: Er spielte nicht nur die Hauptrolle, sondern schrieb auch die Story, zeichnete für die Produktion verantwortlich und komponierte einen Song. LARS PENNING

„Patti Smith: Dream of Life“ (OmU) 27. 10. im Babylon Mitte

„Wild Combination: A Portrait of Arthur Russell“ 25. 10. Babylon Mitte

„Thunder Road“ (OF) 24. 10. im Babylon Mitte