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Archiv-Artikel

Mit der Nase im Gegenwind

Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein mitten in der Finanzkrise: Miese in den öffentlichen Kassen und miese Stimmung könnten der SPD ein Debakel bescheren, die CDU ist siegessicher. Selbst die rote Hochburg Kiel droht schwarz zu werden

„Die Menschen haben im Moment die Nase voll von Politik.“

von SVEN-MICHAEL VEIT

Wahlen in Zeiten leerer Kassen. Wäre Schleswig-Holstein ein Unternehmen, wäre der Gang zum Konkursrichter kaum noch zu vermeiden. Ein Bundesland aber kann nicht pleite gehen, nur pleite sein, gleiches gilt für Kreise, Städte und Gemeinden. Brisante Vorzeichen für die Kommunalwahlen im nördlichsten Bundesland am nächsten Sonntag (siehe Kasten unten).

Das Vorjahresdefizit der Kommunen im abgelaufenen Jahr dürfte sich auf über 300 Millionen Euro summieren, die gesamte Schuldenlast wird auf mehr als drei Milliarden Euro steigen. Für das laufende Jahr wird die Netto-Einnahme aus der Gewerbesteuer auf 397 Millionen Euro veranschlagt: Hört sich nach viel an, ist aber 170 Millionen Euro weniger als im Jahr 1998. „Wir haben“, konstatiert Harald Rentsch, Geschäftsführer des Städteverbandes, „die schwerste Finanzkrise der Städte und Gemeinden seit Gründung der Bundesrepublik.“

Politisch stehen die Wahlen unter zwei weiteren Vorzeichen. Zum einen das bundesweite Rekordtief der Sozialdemokraten, in dessen Folge die Landtagswahlen in Niedersachsen und Hessen am 2. Februar den Christdemokraten hohe Siege einbrachten. Kein Wunder also, dass CDU-Landeschef Peter Harry Carstensen ein klein bisschen Trauer trägt: „Schade, dass es keine Landtagswahl ist.“ Die hatten SPD und Grüne vor drei Jahren noch gerade so eben für sich entscheiden können.

Eine überzeugende Vorstellung jedoch, dies das zweite Kriterium beim Urnengang, haben Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) und ihre rot-grüne Regierung seitdem nicht abgeliefert. Mit einer Kabinettsumbildung versuchte Simonis Ende Januar, Durchsetzungsfähigkeit zu demonstrieren sowie aus den negativen Dauerschlagzeilen über leere Kassen und die „Filz-Affäre“ um den früheren Expo-Beauftragten Karl Pröhl herauszukommen.

Haften blieben jedoch vornehmlich die Abzocker-Vorwürfe an die grüne Staatssekretärin Henriette Berg, die ohne überzeugende Begründung in den einstweiligen Ruhestand auf Staatskosten versetzt worden war. „Wir haben mal wieder starken Gegenwind“, räumt SPD-Landeschef Franz Thönnes ein. Optimistische Aufbruchstimmung jedoch ist in der Partei weit und breit nicht zu spüren.

Angesichts dieser Lage dürfte es die CDU leichter haben, die eigene Basis und Wähler zu motivieren als die SPD. „Die Stimmung ist ausgesprochen gut überall“, beobachtet strahlend der nordfriesische CDU-Kreisvorsitzende Heinz Maurus. So siegessicher sind die Christdemokraten, dass sie bereits genüsslich Wunschszenarien ausschmücken. Denn fast alle wichtigen Landrats- und Bürgermeisterposten haben sie den Sozialdemokraten in den vergangenen Jahren bereits abgenommen.

Wenn am 2. März auch noch die Landratssessel im Kreis Pinneberg sowie die Oberbürgermeisterposten in Neumünster und Kiel an die CDU fallen sollten, wird der Norden schwarz: Lediglich die Hansestadt Lübeck und der Kreis Stormarn verblieben als sozialdemokratische Enklaven.

Ein Fiasko für die SPD wäre der Machtverlust in der Landeshauptstadt Kiel. Eine Stadtregentin von der CDU galt in der traditionellen Arbeiter- und Werftstadt an der Förde, seit Urzeiten eine rote Hochburg, bislang als undenkbar (siehe Text unten).

Einen Motivationsschub verspüren hingegen die Grünen: „Wir sehen uns als Reformmotor bestätigt“, meint Vorstandssprecherin Monika Obieray. „Die SPD muss aus dem Wutausbruch der Wähler lernen“, verlangt die Bundestagsabgeordnete Grietje Bettin. Wichtigstes Ziel der Grünen ist es, sich deutlich vor der FDP als dritte Kraft im Lande zu behaupten. Vorhersagen zufolge sollte das gelingen. Die Liberalen, die sich verstärkt unabhängiger Wählervereinigungen erwehren müssen, wären mit einen Landesdurchscnitt von über fünf Prozent bereits zufrieden.

Zünglein an der Waage im Norden des Nordens ist gewöhnlich der Südschleswigsche Wählerverband (SSW). Seit 1998 ist die Partei der dänischen und friesischen Minderheiten in den drei Kreistagen Schleswig-Flensburg, Nordfriesland, Rendsburg-Eckernförde sowie in der Stadt Flensburg mit 24 Abgeordneten vertreten.

So richtig euphorisch aber ist auch der SSW nicht. „Die Menschen“, sagt die Landtagsabgeordnete Anke Spoorendonk, „haben im Moment die Nase voll von Politik.“