Der Gipfel der Evolution

Freaks, das sind immer die anderen: Ein grobschlächtiger Humor regiert die Filme der Brüder Peter und Bob Farelly. In ihrer Zwillingskomödie „Unzertrennlich“ macht sich jedoch nun ein gewisser Hang zur Sentimentalität bemerkbar

In Martha’s Vineyard, einem verschlafenen Fischerort an der amerikanischen Atlantikküste, haben sich die Vorzeichen verkehrt, die noch das Frühwerk der Farelly-Brüder bestimmten: Freaks sind hier nicht mehr die körperlich Herausgeforderten, die im örtlichen Grillimbiss vierhändig die Buletten wenden. Sondern die Yuppies aus der fernen Großstadt.

Damon und Kinnear als an der Hüfte verwachsenes Zwillingspaar bilden natürlich den Stoff für eine typische Farelly-Farce. Doch abgesehen von dieser Prämisse, scheint der Geist Frank Capras in „Unzertrennlich“ gefahren zu sein. Was in den letzten Filmen der Farelly-Brüder noch von grobschlächtigem Humor verdeckt wurde, bricht sich nun ungehemmt Bahn: ein Hang zum Sentimentalen und Allzumenschlichen. Wie zuweilen auch bei Capra zwar mit beißendem Unterton, aber durchaus gutmütig.

So gesehen, löst „Unzertrennlich“ alle Versprechen an das Oxymoron einer David-Cronenberg-Komödie ein, um die sich die Filme der Farelly-Brüder bisher erfolgreich gedrückt haben. Ihr Kino der körperlichen Exzesse hat sich Cronenbergs Vision von körperlicher Sublimation (durch Mutation) so weit angenähert, dass Matt Damons und Greg Kinnears Zwillingsbrüderpaar tatsächlich als Gipfel der menschlichen Evolution erscheinen kann.

Damon und Kinnear sind die saubere Variante von Jim Carrey und Jeff Daniels (wobei Daniels’ Frisur aus „Dumm und Dümmer“ nun wie durch ein Wunder wie angegossen auf Kinnears Kopf sitzt): zwei redliche Kleinstädter, der analen Phase endlich entwachsen und sozial geerdet.

Mehr absurd als retardiert reißen Damon und Kinnear alle gesellschaftlichen Barrieren nieder und kommen schließlich in Hollywood an – als Zimmernachbarn von Eva Mendez. Dort landet Kinnear mit Hilfe eines windigen Agenten (Seymour Cassel als rasender Rollstuhlfahrer wie aus einem Coen-Film) in einer Cop-Fernsehserie mit Cher, und ein Gutteil der Gags geht fortan auf ihr Konto.

Cher ist die Sorte von Freak, die nur Los Angeles hervorbringen kann, und deshalb für die Farellys mit ihrer Ostküsten-Kleinstadt-Mentalität wie aus einem anderen Universum. Da macht es fast mehr Sinn, dass Damons Gesicht immer wieder hinter Kinnear im Bild erscheint. Wenn Cher über Liebeskummer klagt, weil ihr Lover nun ein College besucht, werden die Norm-Verhältnisse in der Farelly-Welt wieder zurechtgerückt. So müssen die Zwillingsbrüder am Ende zwangsläufig wieder in ihren Grillimbiss in der neuenglischen Kleinstadtidylle zurückkehren – getrennt und doch auf ewig verbunden. Diese „Mr. Deeds“-Erfahrung bleibt ihnen nicht erspart. ANDREAS BUSCHE