: Grüne mit Ausblick
Landesverband wählt Almuth Tharan und Till Heyer-Stuffer als Doppelspitze und bindet 21-jährige Hoffnungsträgerin mit ein. Knappe Mehrheit für einen erweiterten Vorstand mit Mandatsträgern
von STEFAN ALBERTI
Ein bisschen verlegen lächelnd steht Nike Wessel auf der Bühne des Grünen-Parteitags. Eine schmale junge Frau, die äußerlich auch in eine Girlie-Band passen würde. Der planmäßige Höhepunkt ist vorüber, die neue Doppelspitze mit Almuth Tharan und Till Heyer-Stuffer längst gewählt. Doch leise und aufmerksam wie selten an diesem Tag haben die Delegierten Wessels Bewerbungsrede als Beisitzerin verfolgt. Laut hingegen haben sie applaudiert und Wessel, die 21-jährige Chefin der Grünen Jugend, mit der bei weitem größten Mehrheit des Parteitags auch in den Landesvorstand gewählt. Die müsse man sich merken, die sei etwas für die Zukunft, raunen einem Parlamentarier zu.
Die grüne Gegenwart aber sollen zwei andere prägen: Tharan (39), Pankower Kreischefin, die sich am Samstag deutlich gegen Barbara Fenski aus Kreuzberg durchsetzt, allerdings erst im zweiten Wahlgang die erforderliche absolute Mehrheit erhält. Und Heyer-Stuffer (43), bereits seit 2001 Parteichef, der gegen den Charlottenburger Bezirkspolitiker Thomas Birk gewinnt.
Der als Realo eingeordnete Birk galt als der aggressivere Kandidat, anders als der stets verbindlich wirkende Heyer-Stuffer, war für mehr öffentliche Präsenz der Partei mit und neben der Fraktion eingetreten. Mehrere Grünen-Bezirke hatten angekündigt, ihre Entscheidung von der Präsentation der Kandidaten am Samstag abhängig zu machen. Exschauspieler Birk erwischt dabei nicht seinen besten Auftritt. Und vielleicht hätte er darauf verzichten sollen, am Mikro aus seinem Horoskop für den Wahltag zu zitieren: „Neue Kollegen bringen frischen Wind in einen etwas müden Haufen.“ Müder Haufen? Wer lässt sich schon gern so bezeichnen?
Tharan nennt Ökologie als zentrales Feld für die Partei. Das hört vor allem Felcitas Kubala gerne, die Umweltexpertin der Abgeordnetenhausfraktion. Sie hatte jüngst kritisiert, die Ökologie sei im Fraktionsvorstand nicht vertreten. Heyer-Stuffer fordert, Berlin zum wichtigsten Forschungs- und Bildungsstandort in Europa auszubauen.
Zuvor haben die rund 150 Delegierten mit knapper Zweidrittelmehrheit beschlossen, ihren Landesvorstand zu erweitern und für die sieben neuen Posten erstmals auch bis zu vier Parlamentarier, Minister oder Stadträte zuzulassen. Sie sollen bei einem weiteren Parteitag vor Ostern gewählt werden. Die Erweiterung soll Landespartei, Fraktion, Bezirke und Bundesebene besser verzahnen.
Für Fundamentalisten ist das ein Schritt hin zum kompletten Ende der Trennung von Amt und Mandat. Diese Änderung hatte noch im November ein Landesparteitag abgelehnt. Da könne man doch gleich die Fraktionsspitze zum Parteivorstand machen und sich damit das Gehalt sparen, polterte der Spandauer Delegierte Frank Kosloswski.
Allein stand er mit seiner Kritik nicht: Nur vier Stimmen lag das Ergebnis über der erforderlichen Zweidrittelmehrheit. „Das spielt bei Revolutionen keine Rolle. Der Bundesvorstand hätte diese vier Stimmen gern gehabt“, kommentierte Landesparlamentarier Jochen Esser. Auf Bundesebene war im Dezember eine Satzungsänderung knapp gescheitert. Esser erinnerte vor der Abstimmung an eigene schlechte Erfahrungen als Landesvorsitzender Anfang der 90er-Jahre. „Da saß die Fraktion im Parlament und machte irgendwas.“
Vier Stunden später ist jener Vorstand komplett, der stärker mit der Fraktion zusammenarbeiten soll. Neben Tharan und Heyer-Stuffer Kirsten Böttner (39), wieder als Geschäftsführerin, Wolfgang Erichson (44) als Schatzmeister und Wessel, Antje Schrieber (33), Michael Hanke (44) als Beisitzer. Böttner lässt den Blick über Wessel und die Grüne Jugend wandern, die in den vergangenen zwei Jahren von vier auf 120 Mitglieder gewachsen ist: „Ein Generationenproblem haben wir nicht mehr.“