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Archiv-Artikel

Aggressive Impulse umlenken

Facettenreiche Zugänge zu einem Problem, das allein verbal nicht zu lösen ist: Das heute beginnende Festival „Gewaltige Tage“ am Ernst Deutsch Theater sucht in Theaterstücken, Workshops und Diskussionen nach Antworten

Vielleicht wäre die interessantere Frage die, wie mit dem Bruch des Tabus umgegangen wird. Wie es kommen konnte, dass Gewalt – sprich Durchsetzungsvermögen, sprich bewundernswürdige Stärke – derart gesellschaftsfähig werden konnte, dass man gelegentlich selbst in die Falle gerät zu denken, ohne dies ginge es eben nicht.

Der Zugang des plattform.festivals Gewaltige Tage, das heute am Ernst Deutsch Theater beginnt, ist anders: Wie mit real vorhandener Gewalt umzugehen sei, fragen sich Leiter Martin Kreidt und Dramaturgin Gundula Iblher; warum Machtspiele in Gewalt umschlagen und wie dies zu kompensieren ist, soll das Festival erkunden.

Die Formen der Übermittlung sind vielfältig: Max Klingers Drama Die Zwillinge hat der plattform-club, der neue Jugendclub des Theaters, erarbeitet; im Zentrum steht ein Isolierter, der schließlich Amok läuft. Kleists Familie Schroffenstein, präsentiert vom Studiengang Schauspieltheater-Regie der Hamburger Uni und von der Hochschule für Musik und Theater, ergänzt dies; Missverständnis als Basis für Mord ist hier das Thema.

Doch auch Subtileres, enger an Selbsterkenntnis Geknüpftes wird zu erleben sein: „Das Böse in Dir“ lautet ein Workshop mit der Regisseurin Ute Rauwald, die zwei Jahre lang am hiesigen Schauspielhaus angestellt war. Ganz private Abgründe sollen darin erforscht und durch Improvisationstheater sublimiert werden. Einen anderen Zugang bietet der Workshop „Stuntfighting“, der in den choreographischen Kampf einführt und eine effektive Umlenkung aggressiver Impulse bezweckt.

Und dann wäre da noch die subtiler sich offenbarende Gewalt, jene zynischen, durch Worte vermittelten Machtspielchen, denen standzuhalten mehr als nur Erkenntnis erfordert: Die Rache des Stachels heißt eine Performance des plattform-clubs; wie ausbrechen aus der Falle von konkreter Bedrohung, Mobbing und Destruktion, fragt eine andere Diskussion. Und unvollständig wäre ein solches Programm, widmete es sich nicht auch vorgeblich religiös begründeter Gewaltbereitschaft und der Aggression im und am Sportstadion. Probleme, die allein verbal nicht zu lösen sind. Die aber wenigstens prophylaktisch den Widerhaken des Denkens setzen können. Petra Schellen

Gewaltige Tage: 7.-11. 1. Eröffnung: heute, 20 Uhr, Ernst Deutsch Theater, Friedrich-Schütter-Platz 1 (Mundsburg). www.plattform-festival.de. Info-Tel.: 22 70 14 20. E-Mail: jugend@ernst-deutsch-theater.de