: ELFen gegen Manndecker
Beim ersten schwulen europäischen WestEast-Hallenfußballturnier siegen vor den Augen des ersten Regierenden und schwulen Bürgermeisters von Berlin die „Panteres Grogues“ aus Barcelona
aus Berlin JENNI ZYLKA
Die Handball-Teenies stehen auf der Tribüne und sind baff. Unten, auf ihren Spielfeldern in der legendären Berliner Max-Schmeling-Halle, rennen Männer einem Fußball hinterher, von denen sie das nicht unbedingt gedacht hätten: Am Wochenende fand dort das erste schwule europäische WestEast-Hallenfußballturnier statt. Nicht dass Schwule sich nicht auch für Sport interessieren, das wissen die Kids aus kicherigen Schulpausengeprächen: Eiskunstlauf, das trauen sie schwulen Männern zu, oder Gesellschaftstanz. In der Fußballwelt jedoch kommen schwule Spieler und übrigens auch schwule Fans bis jetzt so gut wie nicht vor. Außer in stammtischniveauvollen Duschwitzen.
Den Initiatoren des Turniers, den Männern vom Berliner Schwulen- und Lesbensportverband „Vorspiel e. V.“, Untergruppe Fußball, ist das natürlich schnurz. Es ist nicht der erste Wettkampf, den sie veranstalten, seit Mitte der 90er kickt man in diversen Freizeit- und Altherrenligen, bei kleinen und großen Veranstaltungen wie den schwul-lesbischen Euro-Games und den Gay Games, oft schoss sich Vorspiel dabei auf den respektablen zweiten Platz des Vizemeisters.
Am Samstag spielen außer drei Vorspielteams (dem „Organisations-Team“, der gemütlichen „Ü-40-Mannschaft“ und Vorspiel) noch 21 andere Mannschaften, darunter zwei aus Prag. „Das ist natürlich noch nicht die Welt für ein Ost-West-Turnier“, sagt Josef, einer der Organisatoren, aber er ist sicher, dass sich nächstes Jahr, wenn hoffentlich das zweite stattfindet, mehr Teams aus Osteuropa anmelden. „Immerhin waren es beim schwulen Wettkampf in Köln vor ein paar Jahren sechs Mannschaften, jetzt sind es 24.“ Überhaupt habe sich der europäische Schwulenfußball in den letzten Jahren stark emanzipiert.
Außer den Pragern ist der langjährige Angstgegner „Cream Team Cologne“ am Start sowie „Startschuss Hamburg“ (leider ohne ihre berühmten männlichen Cheerleader), die „Manndecker Frankfurt“, die „Streetboys München“ und die „Münchner ELFen“, erstmalig auch schwule Schwaben: Die „Stuttgart Ballboys“ sowie „Raballder Fotball“ aus Oslo, die „Panteres Grogues“ aus Barcelona und zwei Mannschaften aus Madrid. Aus Berlin hat sich noch der schwule Hertha-Fanclub „Hertha Junxx“ angemeldet, und mit den „Taktikern“ und dem „FC Kreuzberg Berlin“ spielen auch offiziell heterosexuelle Teams mit.
„Wir wollten auf jeden Fall Heteromannschaften dabei haben“, erklärt Josef, dann muss der Mann wieder aufs Spielfeld. Auf der Tribüne haben sich inzwischen ein paar ZuschauerInnen, Exspieler und Spielermänner gesammelt und tratschen über Kerle in Shorts: „Der hat seinen Freund beim Priesterseminar kennen gelernt“, raunt einer und deutet auf einen Berliner. Und ein anderer erzählt die nette Geschichte von einem Spieler, der jahrelang bei der Heteromannschaft trainierte, die vor dem schwulen Team das Trainingsfeld nutzte. Irgendwann habe er dann angefangen, beim schwulen Training zuzuschauen, schließlich dort mitzuspielen. Ein sportlich faires Coming-out.
So einfach ist das: Wenn Schwule im Fußball nicht immer noch fast ausnahmslos als Witzfiguren auftauchten, von rüden und bis zur Verzweiflung stupiden Macho-Fans beim Skandieren und im Nach-dem-Spiel-Biersuff beleidigt, dann bräuchte man ein ausgesprochen homosexuelles Turnier nicht. Und wenn endlich einmal einer der Bundesliga- oder Länderspielstars, einer, von dem es Sammelbildchen, Bild-Artikel und Poster gibt, eine positive Aussage zum Schwulsein machte (er muss ja nicht gleich seinen Freund heiraten), dann würden damit mehr schwulenfeindliche Dumpfbacken erreicht als jeder noch so wunderbar ausgedachte Wettkampf. Auch wenn das soziale Rahmenprogramm in Berlin für die Gäste (inklusive Saunabesuch, Stadtrundfahrt und Party) nichts zu wünschen übrig ließ und bei einem gemischtsexuellen Turnier garantiert schwieriger zu gestalten wäre.
Am Ende des ersten europäischen WestEast-Turniers tummeln sich die beiden Prager Mannschaften leider am Ende der Tabelle, genau wie die Stuttgarter Ballboys (im Gegensatz zu ihren Bundesliga-Kollegen). Die heimlichen Favoriten aus Köln hatten schon bessere Tage, aber als Berlins Bürgermeister Wowereit wie versprochen samt Bodyguards und vorbereiteter Rede anrückt, um Halbfinale und Endspiel (die Gastgeber Vorspiel gegen Panteres Grogues Barcelona) anzuschauen, wird es noch mal richtig spannend: Nach einem knackigen Spiel um den dritten Platz, den die Taktiker als nicht berührungsängstliche Berliner bravourös belegen, gewinnt die spanische Mannschaft im Finale durch einen schönen, regulären Siegtreffer. Siebenmeterschießen bleibt allen erspart. Für Vorspiel scheint das kleine Handballtor mal wieder zugenagelt. Nächstes Jahr kriegen sie die Pille bestimmt rein.