: Das Klima artet aus
Der Treibhauseffekt könnte zur größten Bedrohung der Artenvielfalt werden, warnt eine weltweite Studie von 19 Biologen. Schon 2050 könnte jede vierte Art dem Tod geweiht sein
BERLIN taz ■ Sollte es nicht rasch zu einer deutlichen Senkung der Emission von Treibhausgasen kommen, könnte bis 2050 ein Viertel aller Landtiere und Pflanzen am Aussterben sein. Zu diesem Schluss kommt eine heute im Wissenschaftsjournal Nature veröffentlichte Studie, die ein Team von 19 Biologen aus sieben Ländern zusammengetragen hat.
Die Biologen untersuchten 1.100 Arten – von Raubvögeln über Schmetterlinge bis Pflanzen. Nach Einschätzung der Klimaforscher wird die Temperatur ohne einschneidende Maßnahmen zum Klimaschutz um gut 1,8 Grad bis 2050 steigen. Unter diesen Bedingungen kamen die Forscher zu dem Schluss, dass 15 bis 37 Prozent der von ihnen untersuchten Arten bis 2050 entweder ausgestorben oder todgeweiht sind. „Unter der Annahme, dass sich unsere Ergebnisse hochrechnen lassen, legt die Studie nahe, dass deutlich mehr als eine Million Arten in Folge des Klimawandels vom Aussterben bedroht sind“, resümiert Chris Thomas, Artenschutzexperte von der Universität Leeds in England und Hauptautor der Studie.
Durch den Klimawandel werden sich weltweit die Klimazonen deutlich verschieben – nicht alle Arten können dem folgen: teils, weil sie sich nicht schnell genug bewegen, um dem Klimawandel zu folgen, teils, weil die Zersiedelung ihrer Lebensräume so sehr fortgeschritten ist, dass ein Ausweg schlicht versperrt ist. Bislang stehen vor allem Zersiedelung, Waldrodung und Umweltgifte im Zentrum der Aufmerksamkeit der Artenschützer. Schon heute gelten Experten zufolge 18 Prozent der Säugetiere, 12 Prozent der Vögel und 5 Prozent der Fische als bedroht. Um die Arten zu retten, werden weltweit immer mehr Naturparks eingerichtet.
Doch der Treibhauseffekt könnte diesen Schutz schon bald ad absurdum führen, wenn die schützenswerten Biotope anfangen aus den Naturparks zu verschwinden. „Der Schutz der Lebensräume ist Voraussetzung, aber oft nicht ausreichend, um eine Art zu erhalten“, urteilt die Co-Autorin Alison Cameron von der Universität Leeds. „Unsere Studie macht klar, dass der Klimawandel die größte neue Bedrohung für die Arten ist“, sagt Co-Autor Lee Hannah von Conservation International in Washington.
Den Einfluss des Klimas auf die Artenvielfalt vorherzusagen, ist ein schwieriges Geschäft. Die Autoren der Studie arbeiten mit Computermodellen, um die Ausweichbewegungen von Adler und Echse abzuschätzen. Die Biologen betonen, dass sie nur grobe Vorhersagen machen können. Doch die machten deutlich, schreiben sie in Nature, wie wichtig es sei, rasch neue Techniken zum Klimaschutz einzuführen. MATTHIAS URBACH
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