: UNO ratlos vor Kongos wuchernden Kriegen
Sicherheitsrat berät über verändertes Mandat für Blauhelme im Kongo, während die Zahl der Kriegsvertriebenen steigt
BERLIN taz ■ Der UN-Sicherheitsrat berät heute über eine Ausweitung des Mandats der UN-Blauhelme in der Demokratischen Republik Kongo, wo trotz des Friedensabkommens vom vergangenen Dezember die Kämpfe nicht enden. UN-Generalsekretär Kofi Annan hatte in seinem jüngsten Kongobericht an den Rat vom vergangenen Freitag „anhaltende militärische Konfrontationen“ zwischen den Unterzeichnern des Friedensabkommens gegeißelt und auf eine „potenziell explosive militärische und politische Situation im Nordosten“ des Landes hingewiesen.
In der dortigen Region Ituri bekämpfen sich verschiedene Gruppen sowie die Armee Ugandas. Ein Abkommen zwischen den Regierungen Kongos und Ugandas zur Bildung eines Ituri-Friedenskomitees konnte bislang nicht umgesetzt werden.
Die UN-Mission im Kongo (Monuc) umfasst derzeit 4.386 Soldaten und 49 Polizisten und liegt damit noch unter der 2001 beschlossenen Obergrenze von 5.500 Mann, die Ende 2002 auf 8.700 erhöht worden ist. Erwartete neue Einheiten, unter anderem aus Südafrika, sollen die Demobilisierung irregulärer Milizen im Osten des Landes organisieren. Wie sie das unter Bedingungen anhaltender Kämpfe machen sollen, ist genau die Frage, über die sich UN-Experten jetzt den Kopf zerbrechen.
Niemand geht so weit, zu denken, dass UN-Truppen im Kongo friedenserzwingend wirken könnten. Sie sollen höchstens, wie Annan in seinem Bericht vorschlägt, die im Friedensabkommen vom Dezember vereinbarte Regierung der Nationalen Einheit aus Mitgliedern aller kongolesischen Kriegsparteien schützen. Dazu muss diese Regierung aber erst einmal gebildet werden, und dazu muss das Friedensabkommen erst einmal von der Vollversammlung des „Inter-Kongolesischen Dialogs“ abgesegnet werden. Diese im Oktober 2001 gebildete Versammlung mit 360 Delegierten aus allen Verhandlungsparteien hat formell das letzte Wort im Friedensprozess.
Gespräche über die Regelung offener Fragen im Friedensvertrag im Hinblick auf eine solche Vollversammlung begannen am Montag in Südafrikas Hauptstadt Pretoria. Es geht darum, wie die verschiedenen kämpfenden Truppen des Landes zu einer nationalen Armee verschmolzen werden sollen und nach welchem Vorgehen eine Übergangsverfassung für den Kongo entstehen soll.
Nach dem vorliegenden Zeitplan sollen diese Gespräche innerhalb von zwei Wochen zum Abschluss kommen. Dann könnte, so hofft UN-Sonderbeauftragter Moustapha Niasse, eine Vollversammlung des Dialogs im März folgen. Als vorläufiger Termin für die feierliche Einsetzung der Allparteienregierung ist der 1. April vorgesehen.
Während sich die technischen Gespräche hinziehen, schlagen Hilfswerke Alarm. Die humanitäre Koordinationsstelle der UNO, Ocha, weist in einem neuen Lagebericht darauf hin, dass die Zahl der Kriegsvertriebenen im Kongo jetzt bei 2,7 Millionen liegt – gegenüber 2 Millionen vor einem Jahr. „Die meisten davon sind mehrmals vertrieben worden und haben ihr weniges Eigentum verloren“, so Ocha. Sie leben entweder fernab von jeder Hilfe im Busch oder bei ebenfalls mittellosen Nachbarn, die selbst Hilfe bräuchten. Die völlige Zerstörung ihrer Herkunftsorte mache eine schnelle Rückkehr unwahrscheinlich. Um doch Abhilfe zu schaffen, drängt Ocha Geberländer dazu, die wenigen „Zonen von Frieden und Stabilität“ im Ostkongo zu unterstützen, um erste Wiederaufbaumaßnahmen zu ermöglichen.
Zugleich kritisiert die Koordinationsstelle, dass die UNO im Jahr 2002 von den international geforderten 202 Millionen Dollar für humanitäre Hilfe im Kongo nur 94 Millionen erhalten habe. Und für den Hilfsappell für 2003 mit einem Gesamtumfang von 268 Millionen Dollar sei weltweit noch überhaupt kein Geld zugesagt worden. DOMINIC JOHNSON