: Es wird einsam um Ministerpräsident Aznar
Die spanische Regierung bleibt ungeachtet breiter Opposition auf Kriegskurs. Ein Flugzeugträger ist schon startbereit
MADRID taz ■ Spaniens Regierungschef José María Aznar isoliert sich immer mehr. Die gesamte Opposition, von der kommunistischen Vereinigten Linken über die sozialistische PSOE bis hin zu den nationalistischen Parteien, will Anfang nächster Woche eine Resolution durchs Parlament bringen. Darin soll die deutsch-französische Irakpolitik unterstützt werden.
„Aznar hat die Würfel erneut geworfen, und wieder ist Krieg herausgekommen“, beschwert sich der sozialistische Politiker Manuel Marín bei einer Ausschusssitzung mit Außenministerin Ana Palacio. Die spanische Regierung breche mit ihrer proamerikanischen Haltung den europäischen Konsens. Außerdem ignoriere sie die Meinung des eigenen Volkes. In Spanien sind nach neuesten Umfragen 84,7 Prozent gegen einen Irakkrieg. 4 Millionen Menschen schlossen sich am 15. Februar den Friedensdemonstrationen an. Unter ihnen befanden sich selbst lokale und regionale Vertreter von Aznars Volkspartei (PP).
Aznar interessiert die Kritik wenig. An einer Parlamentsdebatte will er nicht teilnehmen. „Die diplomatische Initiative lässt dies nicht zu“, verlautet es aus dem Regierungspalast. Nach einem Besuch in Mexiko, das derzeit im UN-Sicherheitsrat vertreten ist, reiste er nach Camp David zu George W. Bush. Gestern flog er zu Jacques Chirac, heute hat er eine Audienz beim Papst sowie ein Treffen mit dem britischen Premier Tony Blair. „Aznar hat außerdem im Auftrag von Bush Dutzende europäische, arabische und lateinamerikanische Staatsmänner angerufen“, behauptet das Mitglied des außenpolitischen Ausschusses, Ignasi Guardans.
Was der katalanische Nationalist als Vorwurf verstanden wissen will, erfüllt Aznar mit Stolz. Schließlich nennt er sich „Co-Autor“ des amerikanischen Entwurfes für eine zweite UN-Resolution. Wo sein Beitrag im Text, über den spätestens am 13. März im UN-Sicherheitsrat abgestimmt werden soll, zu finden ist, das weiß Aznar allerdings nicht zu sagen. Nach seinem Besuch in Washington versprach er „wichtige Schritte hin zur Gründung eines Palästinenserstaates“. Bisher hat Bush darüber kein Wort verloren.
„Die Verpflichtung Spaniens im Kampf gegen den Terror geht weit über die Worte hinaus“, rechtfertigt Aznar, warum er bereit ist, auch einen US-Einsatz ohne UN-Mandat zu unterstützen. Der Flugzeugträger Principe Asturias liegt bereits startbereit im südspanischen Hafen von Rota. Niemand kann Aznar daran hindern, den Einsatzbefehl zu geben. Denn die regierende PP verfügt im Parlament über die absolute Mehrheit.
Der proamerikanische Kurs lässt Aznars PP in den Umfragen fallen. Erstmals seit 1996 liegen die Sozialisten dank ihres Antikriegskurses wieder vorn. Das führt, so weiß die Presse zu berichten, selbst zu Missstimmung im Kabinett. Zwar tritt Aznar bei den Wahlen im nächsten Jahr nicht wieder an, doch seine Minister würden schon gerne weitermachen.
So manchem in der Friedensbewegung ist es ob der neuen Kampfgefährten aus der sozialistischen PSOE nicht ganz wohl zumute. Zu gut erinnern sie sich noch an den Irakkrieg 1991. Die damals regierenden Sozialisten disziplinierten Lehrer, deren Schüler gegen den Krieg aktiv wurden, und entließen hohe Staatsdiener wegen deren „Nein zum Krieg“. Bei der großen Friedensdemonstration in Madrid riefen Demonstranten dem Sozialistenführer Luis Rodriguez Zapatero immer wieder „No a la Otan!“ – „Nein zur Nato!“ zu. Sie haben nicht vergessen, dass die PSOE einst in der Opposition gegen einen Beitritt zum nordatlantischen Bündnis war, um dann an der Macht Spanien schnurstracks den Nato-Helm aufzusetzen. REINER WANDLER