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Archiv-Artikel

Bildnis für einen Freund

Die verknotete Pistole ist eines der bekanntesten Friedenssymbole weltweit. Geschaffen hat es der schwedische Künstler Carl Fredrik Reuterswärd, zu dem das Sprengel-Museum in Hannover seit 1986 eine besondere Verbindung hat. Derzeit zeigt das Museum die Ausstellung „Das grafische Werk 2“

von KLAUS IRLER

Als Gerhard Schröder im August 2005 zur Enthüllung der Skulptur schreitet, hofft er auf eine große Geste, auch wenn die Skulptur eher klein ist. Zirka zwei Meter lang und einen Meter hoch ist das Werk und wirkt etwas jämmerlich vor der bombastischen Kulisse des Bundeskanzleramts in Berlin. Aber der Symbolgehalt, dachte sich Schröder, der stimmt: Die Skulptur zeigte eine Pistole, die einen Knoten im Lauf hat. Es ist die gleiche Skulptur, die auch vor dem Gebäude der United Nations in New York steht.

Das Motiv ist weltbekannt und weil im August 2005 Wahlkampf gemacht wurde, meldete sich einen Tag nach der Enthüllung der CDU-Bundestagsabgeordnete Steffen Kampeter zu Wort. Es beschädige das Amt, wenn Bundeskanzler Schröder „mit trivialpazifistischer Symbolik im Park des Kanzleramts versucht, auf Stimmenfang zu gehen“.

„Trivialpazifistisch“, auf dieses Wort muss man erst mal kommen. Besonders irritierend dürfte diese Wertung gewesen sein für das Sprengel-Museum in Hannover. Dort nämlich ist so etwas wie die deutsche Basis des schwedischen Künstlers, der den verknoteten Revolver erfunden hat. Er heißt Carl Fredrik Reuterswärd und das Sprengel-Museum ist ihm seit 1986 verbunden: Damals gab es in Hannover eine erste große Retrospektive und erste Ankäufe durch das Museum, es folgten Schenkungen durch den Künstler und eine zweite Ausstellung im Jahr 1993. Als Gerhard Schröder die Reuterswärd-Pistole vor dem Kanzleramt haben wollte, stellte das Sprengel-Museum den Kontakt her. Derzeit zeigt das Museum seine mittlerweile dritte Reuterswärd Ausstellung. Die heißt „Das grafische Werk 2“ und zu sehen sind Druckgrafiken, die Reuterswärd seit 1993 hergestellt hat.

Die besten dieser Arbeiten zeigen fahrig gezeichnete Männchen in skurrilen Szenen, ein Mann mit Umhang beispielsweise, der auf einer Katze reitet – das Bild heißt „Selbst auf einem Panther“. Die Arbeit „Fatal Friendship“ zeigt zwei kopflose Männchen, die sich die Hände geben – die Köpfe liegen zu ihren Füßen. Der „Stabhochspringer II“ hängt kopfüber am Stab, es ist der Moment, in dem der Stab nach vorne schnellen wird, und das Männchen trägt dabei Frack und Hut.

Oder auch das Bild „selbst, gelähmt“: Diese Figur hat unnatürlich proportionierte Gliedmaßen und eine überdimensionale Nase. Es ist eine ausdrucksstarke Arbeit, und das nicht nur vor dem Hintergrund, dass Reuterswärd im Jahr 1990 einen Schlaganfall erlitten hatte, der seine rechte Körperhälfte lähmte. Reuterswärd musste lernen, mit der linken Hand zu zeichnen. Die Spannbreite seiner Arbeiten hat darunter nicht gelitten.

Die verknotete Pistole trägt offiziell den Titel „Non-Violence“ und taucht auch unter Reuterswärds jüngeren druckgrafischen Werken auf – abstrahiert auf die eine oder andere Art. Außerdem hängt da ein Brief, in dem der ehemalige Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, die Skulptur würdigt. Der Brief ist datiert auf den 1. September 2001 – zehn Tage vor dem Anschlag auf die das World Trade Center.

Platziert wurde „Non-Violence“ bereits 1988 vor dem Gebäude der UN, als Geschenk Luxemburgs. Ersonnen hat Reuterswärd die verknotete Pistole aber bereits 1980 nach den tödlichen Schüssen auf seinen Freund John Lennon. Mittlerweile steht die Pistolen-Skulptur weltweit an über zehn markanten Orten, ist das Motiv unzähliger Postkarten und war 2003 auf dem Titelblatt des Spiegel. Sie ist ein Beispiel für Reuterswärds Ansatz, schwierige Dinge möglichst einfach darzustellen. Und dabei an manchen Motiven festzuhalten und diese immer wieder zu variieren.

Reuterswärd, Jahrgang 1934, studierte in Paris, freundete sich dort mit Sartre an, ging nach New York und lebt seit 1970 in Lausanne. Er arbeitete als Bühnenbildner, machte ein Buch aus Holz und veröffentlichte eine surrealistische Gedichtsammlung.

Überraschend ist, welchen Menschen man begegnet in der aktuellen Ausstellung in Hannover. Da hängt beispielsweise ein Portrait von Günter Wallraff, gezeichnet mit Bauarbeiter-Helm in „Ganz unten“-Manier. Oder ein Bildnis von Günter Grass mit Pfeife – Grass hielt die Laudation, als der wahlkämpfende Schröder seine verknotete Pistole präsentierte. Und dann ist da gleich daneben das Bild „Ich selbst“: Es ist ein Mensch mit einem Pfahl durch die Brust. Dem wiederum ein lustiger Gulliver in Lilliput gegenüber hängt. Die Bandbreite ist tatsächlich groß.

bis 15. Februar 2009