Noch verhandlungsfähig

Die Verteidigung des mutmaßlichen Kriegsverbrechers Bikker setzt auf die Demenz des Angeklagten

HAGEN taz ■ Im Prozess gegen den mutmaßlichen Kriegsverbrecher Herbertus Bikker geht es nur noch um die Verhandlungsfähigkeit. Zum Verhandlungstag letzten Freitag erschien der Angeklagte wieder mit seiner persönlichen Notärztin Scheller. Die Ärztin berichtet, dass der Angeklagte in letzter Zeit wegen den Schmerzen abgenommen und zur Zeit einen Blutdruck von 180 zu 100 habe.

Die Prozessbeteiligten erörtern das vom Arzt für Altersheilkunde am Marienhospital tätigen Markus Schmidt erstellte schriftliche Gutachten über die Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten. Der Angeklagte sei trotz Gedächtnisstörungen bis zu einer Stunde am Tag verhandlungsfähig. „Herr Bikker erreicht bei einem Standardtest 29 Punkte, eine Demenz beginnt unter 35 Punkten“, sagt Schmidt. Im Gutachten wird auch berichtet, dass der Angeklagte bis zuletzt unfallfrei mit seinem Auto gefahren sei.

Die Anwälte der Verteidigung Bernd Eisenhut und Klaus-Peter Kniffka beantragen die Einstellung des Verfahrens und bemängeln, dass im Gutachten das Autofahren des Angeklagten eine Rolle spiele. Diese Information beruhe allein auf Beobachtungen eines Prozessbeobachters aus dem Zuschauerraum. Tatsächlich wurde das sowohl in der Verhandlung, im Flur vor dem Schwurgerichtssaal und in der Presse erwähnt.

Nicht erwähnt wurde, dass der Angeklagte am 19. Dezember vom Gerichtsdiener nach Hause gefahren wurde. Bikker habe sich vom Gerichtsdiener mit Handschlag verabschiedet, seine Schlüssel heraus geholt, sei zur Tür gegangen und habe problemlos selbst die Tür aufgeschlossen.

Dem ehemaligen Niederländer Herbertus Bikker wird vorgeworfen den holländischen Widerstandskämpfer Jan Houtman 1944 auf einem Bauernhof ermordet zu haben. Bikker war 1949 im niederländischen Arnheim wegen Zusammenarbeit mit Deutschen, Freiheitsberaubung von Niederländern und Tötung von zwei Menschen zum Tode verurteilt worden. In einer Berufungsverhandlung wurde die Strafe in lebenslänglich umgewandelt. 1952 floh Bikker aus dem Gefängnis und wurde kurze Zeit später in Hagen festgenommen. Bikker kann jetzt nur noch wegen des Mordes an Jan Houtmann verurteilt werden. Eine Verurteilung wegen Totschlages oder anderer Delikte ist wegen Verjährung nicht mehr möglich.

Die Verhandlung soll am 20. Januar 2004 Uhr fortgesetzt werden– mit der Aussage des sachverständigen Zeugen Schmidt über die Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten. Sollte das Gericht dem Antrag der Verteidigung auf Verhandlungsfähigkeit stattgeben, hätte Herbertus Bikker nichts mehr zu befürchten. Die Konfrontation mit weiteren Zeugen bliebe ihm erspart.

Achim Scheve