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Archiv-Artikel

Dritter Anlauf zur Havel-Nachfolge

Die tschechischen Präsidentschaftswahlen sind zur Farce geworden. Kommunisten als Zünglein an der Waage

PRAG taz ■ Schon zum dritten Mal werden heute die 281 Abgeordneten beider Parlamentskammern im pompösen Spanischen Saal der Prager Burg über einen Nachfolger des ehemaligen Präsidenten Václav Havel abstimmen. Zur Auswahl stehen zwei Kandidaten: Václav Klaus, tschechischer Privatisierungsguru und ehemaliger Vorsitzender der Bürgerdemokraten ODS, und der Philosophieprofessor Jan Sokol, wie Havel auch Unterzeichner der Charta 77.

Der 66-jährige Parteilose wurde am vergangenen Dienstag zum offiziellen Kandidaten der sozialliberalen Regierungskoalition gekürt. Allerdings unterstützen nur 138 ihrer insgesamt 142 Abgeordneten und Senatoren die Kandidatur des Philosophen. Für eine absolute Mehrheit bei den Präsidentschaftswahlen bräuchte der aber 141 Stimmen. „Das ist einfach kein Kandidat, der im Einklang mit meinem Gewissen steht“, erklärte einer der untreuen Genossen, Jiří Rusnok.

Überhaupt werden die Präsidentenwahlen vom parteiinternen Kampf der Sozialdemokraten überschattet. Innerhalb der Regierungspartei bekriegen sich die Fraktion um Ministerpräsident Vladimír Špidla mit den Anhängern von dessen Vorgänger Milos Zeman. Der Expremier war im zweiten Wahlgang um das Amt des Präsidenten angetreten. Da aber ein gutes Drittel seiner eigenen Partei gegen ihn stimmte, wurde er gleich in der ersten Runde so abgeschmettert, dass der sonst so wortgewaltige Zeman sich lieber schnell und heimlich von der Prager Burg verdrückte. Aus Rache für Zemans Schlappe und auch um die Position Špidlas im Vorfeld des anstehenden Parteitags zu schwächen, sollen schon bis zu achtzehn Sozialdemokraten versprochen haben, Klaus zu wählen.

So könnten gerade die Stimmen vergrämter Sozialdemokraten einen Václav Klaus zum Präsidenten machen. Die Stimmen der Kommunisten sind dem Erzkonservativen ohnehin so gut wie sicher: „Von den Kommunisten wird Jan Sokol keine einzige Stimme erhalten“ zitiert die tschechische Tageszeitung Lidove noviny einen von Stalins tschechischen Enkeln. Die mögen Sokol seine Vergangenheit als Dissident sogar noch vergeben. Seinen langjährigen Einsatz für eine Entspannung des deutsch-tschechischen Verhältnisses und seine aufgeklärte Haltung gegenüber den Sudetendeutschen machen ihn für die Ewiggestrigen allerdings inakzeptabel.

Das Gerangel um einen Nachfolger Václav Havels zieht sich seit dem ersten Wahlgang am 15. Januar. Zur Farce wurde der Versuch der Regierungskoalition, nach zwei verpatzten Wahlen einen gemeinsamen Kandidaten zu finden. Ministerpräsident Vladimír Špidla bot dabei die Präsidentschaftskandidatur fast so verzweifelt feil wie ein Marktschreier an der deutsch-tschechischen Grenze seine Gartenzwerge. Eine Abfuhr erhielt er von Akademikern wie dem Dekan der Karls-Universität, Ivan Wilhelm, wie auch von Parteifreunden wie Vizepremier Pavel Rychetský.

Gute 750.000 Kronen (25.000 Euro) werden die Präsidentenwahlen den tschechischen Steuerzahler kosten. Werden es die Parlamentarier am Freitag wieder nicht schaffen, ein Oberhaupt für ihren Staat zu wählen, muss das Volk ran. Eine Verfassungsänderung soll dann Direktwahlen ermöglichen, was sich bis in den Herbst hinein ziehen kann. ULRIKE BRAUN

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