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Archiv-Artikel

„Wir brauchen erstklassige Doktorandengruppen“

Elite ist, wenn sehr gute Profs mit sehr guten Studis interagieren. Wirtschaftsforscher Wagner fordert Begabtenkollegs, die den Master überspringen

taz: Herr Wagner, Sie sind Professor an der TU Berlin. Was werden Sie nach der Innovationsoffensive der SPD spielen: Eliteliga oder Zweite Liga?

Gert G. Wagner: In der Bundesliga, mit der Chance auf eine Qualifikation für die Champions League. Wir haben doch das Glück, dass es hier keine grottenschlechten Einrichtungen gibt, wie das in den USA zuhauf der Fall ist. Trotzdem: Um Leuchttürme zu bauen, braucht man Zeit.

Nehmen wir mal an, Sie bekommen die Chance, sich Studenten für eine Elite-Uni herauszupicken. Wie garantieren Sie, dass Sie Ihre Hochbegabten unabhängig von der sozialen Herkunft auswählen?

Für eine Spitzeneinrichtung ist die Auswahl der Studenten in der Tat der springende Punkt. Ein Test allein hilft da gar nicht. Da müssen wir Professoren schon Gespräche mit den Bewerbern führen.

Das wird anstrengend, was?

Ja. Aber die Voraussetzungen für eine Auswahl der Studenten nach Leistung sind in Deutschland im Grundsatz optimal. Wir haben eine öffentliche Schule und nicht die Bevorzugung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen durch Privatschulen. Deshalb sind die Chancen für Begabte, auf die Uni zu gehen, sehr viel besser als etwa in angelsächsischen Ländern.

Ist die deutsche Elite-Auslese nicht paradox? Für Elite-Einrichtungen wie Gymnasien wird in Deutschland selbstverständlich ausgewählt. Aber in der Hochschule ist das völlig verpönt.

Schlimmer noch finde ich, dass hierzulande schon in Kindergarten und Vorschule zum Teil hohe Gebühren anfallen. Für das Studium hingegen existiert ein gesetzliches Gebührenverbot.

Gebühren würden die Selektivität der deutschen Bildungseinrichtungen nur auf die Spitze treiben.

Nein, es spricht vieles dafür, Studiengebühren zu erheben. Sie mobilisieren Geld für die unterfinanzierten Hochschulen. Vor allem aber zwingen sie die Hochschulen, Dozenten wie Studenten, das Gut Bildung wieder schätzen zu lernen.

Das Geld aus Gebühren wird nicht reichen, um Top-Unis zu finanzieren. Woher sollen die Mittel für das Elite-Programm kommen?

Der Staat ist gefordert! Darum kann man nicht herumreden. Große Stiftungkapitalien lassen sich heute nicht mal mehr in den USA herbeizaubern.

Muss sich die Wirtschaft also an der Finanzierung beteiligen?

Sie wäre gut beraten, es zu tun.

Die SPD ist ganz vernarrt in ihre Innovationsoffensive. Lassen sich Elite-Unis überhaupt planwirtschaftlich verordnen?

Ich halte diesen Planwirtschaftsvorwurf für falsch. Ich sehe erst einmal, dass sich jemand anspruchsvolle Ziele setzt. Das ist in Ordnung. Wenn man die deutschen Spitzenforscher in den Hochschulen stärken will, muss man von dem Kern ausgehen, der bereits gut ist. Private Sponsoren würden das auch nicht anders machen. Die schauen sich genau an, in welchen Leuchtturm sie investieren.

Führt eine solche Leuchtturmpolitik nicht unweigerlich zu einer Zweiteilung der deutschen Hochschullandschaft?

Differenzierung wird entstehen, keine Frage. Wir müssen allerdings dafür Sorge tragen, dass sie nach oben stattfindet, dass sie die Guten stärkt. Man darf aber das ordentliche Niveau der Breite auf keinen Fall absinken lassen – denn das ist international gesehen eine Stärke der deutschen Hochschulen.

Was wäre zu tun, um Leuchttürme zu schaffen?

Den ersten Schritt müssen die Unis selbst tun. Sie sollten Graduiertenprogramme einrichten. Denn das Entscheidende für Spitzenleistungen in der Forschung sind sehr gute Doktoranden. Die bekommt man, wenn man so genannte Graduate Schools einrichtet.

Was ist das?

Das sind erstklassige, kleine Gruppen, die sehr nahe an der Forschung dran sind. Gleichzeitig werden diesen Doktoranden spezielle Lehrveranstaltungen geboten. In diese Doktorandenprogramme sollten die Begabtesten rein, und zwar nicht erst nach dem Diplom oder nach dem Master, sondern gleich nach dem Bachelor. Die steuern direkt auf die Dissertation zu. Den Master bekommen sie in einem solchen Doktorandenprogramm quasi nebenbei.

Wie? Und das soll alles sein, um Spitze zu werden.

Es ist des Pudels Kern. Wirkliche Spitzenleistung entsteht durch die Interaktion von sehr guten Profs und sehr guten Studenten. Die Bachelor-Phase wird in Zukunft dazu da sein, die besten Leute herauszufiltern. In der Master-Phase werden diese Leute aufgeteilt auf Research Schools für die Wissenschaft und auf so genannte Professional Schools, die auf die Praxis außerhalb der Wissenschaft vorbereiten.

Gibt es dafür Beispiele?

Ja, in den USA. In Deutschland sollten die Professional Schools eng mit Fachhochschulen zusammenarbeiten. Und die Research Schools mit den außeruniversitären Forschungseinrichtungen.

Bald ist es möglich, die Studenten zu einem großen Teil selber auszuwählen. Und die guten Profs über die nach oben offene neue W-Besoldung anzulocken. Sind das geeignete Strukturen für Elitenförderung?

Es sind die entscheidenden Wettbewerbselemente. Wenn die Mittelzuweisung an die Universitäten dann auch noch erfolgsorientiert erfolgt, funktioniert der Wettbewerb. Aber es muss natürlich auch genug Geld in den Topf getan werden. INTERVIEW: FLORIAN OEL, CHRISTIAN FÜLLER