: Achillesferse wird ausgebaggert
Die Uferböschung der Elbe bei Stade breche weg, warnt das Bündnis gegen die Elbvertiefung. Das gefährde die Deichsicherheit. Projektbüro versichert hingegen, es gebe keine Probleme
VON SVEN-MICHAEL VEIT
Walter Rademacher schlägt Alarm: „Wir fürchten um die Deichsicherheit am Lühebogen“, sagt der Sprecher des Bündnisses gegen die Elbvertiefung in Cuxhaven. Auf einer Länge von mehr als einem Kilometer sei die Uferböschung oberhalb von Stade erodiert. Der Grund sei die verstärkte Strömung der Elbe seit der Ausbaggerung der Fahrrinne von 1999. Seitdem habe der Strom bereits 50 Prozent der Unterwasserböschung abgetragen, die jetzt geplante nächste Elbvertiefung gefährde deshalb die Deiche auf dem niedersächsischen Ufer: „Der Lühebogen“, sagt Rademacher, „ist die Achillesferse des Alten Landes“.
Peilmessungen, die der Wasserbauingenieur selbst vorgenommen hat, dokumentieren eine fast senkrechte Abbruchkante von bis zu fünf Metern Höhe. Die Böschung, die dort eigentlich vor dem Deich schräg in den Fluss hineingleiten sollte, sei bereits auf einer Breite von bis zu140 Metern abgetragen worden: „An der schmalsten Stelle reicht das tiefe Wasser bis 100 Meter an den Deich“, stellt Rademacher fest. Dadurch drohe die Strömung die Buhnenköpfe und Deichfüße zu untergraben.
Dennoch finde sich in den Unterlagen für die nächste Elbvertiefung, die noch bis 6. November öffentlich ausliegen, „kein Hinweis auf die erhebliche Erosion“, sagt Rademacher. „Dieser Mangel der Planunterlagen ist kein Kunstfehler, sondern eine vorsätzliche Täuschung der Betroffenen.“
Hamburg und der Bund wollen die Fahrrinne des Flusses soweit vertiefen, dass sie tideunabhängig von Schiffen mit einem Tiefgang bis zu 14,50 Meter befahren werden kann. Reeder und Hafenbetriebe unterstützen die Planungen, damit auch Containerschiffe mit mehr als 10.000 Standardcontainern den Hamburger Hafen problemlos erreichen können. Dagegen sträubte sich vor allem Niedersachsen – aus Angst um die Sicherheit der Elbdeiche.
Nach Protesten war das erste Planfeststellungsverfahren gestoppt worden. Die überarbeitete Planung verzichtet nun auf Ufervorspülungen vor dem Nordufer und weist teilweise neue Flächen für die Ablagerung des Baggergutes aus. Zudem verhandeln Hamburg und die niedersächsischen Deichverbände über eine Vereinbarung, welche den Unterhalt der Deiche vertraglich sichert.
„Der Deich dort ist sicher“, sagt dagegen Jörg Oellerich vom Projektbüro Fahrrinnenanpassung beim Wasser- und Schifffahrtsamt des Bundes in Hamburg, das für die Planungen zur Elbvertiefung verantwortlich ist. Die Uferböschung an der Lühemündung sei „von Natur aus relativ steil“, seit der Vertiefung von 1999 sei ausweislich der offiziellen regelmäßigen Peilmessungen keine Verschlechterung erkennbar: „Dort ist nichts Dramatisches passiert, so Oellerich, „es gibt kein Problem“.
Zumindest die niedersächsischen Grünen sehen das anders. „Besorgnis erregend“ seien Rademachers Messungen, findet der Fraktionschef im Landtag, Stefan Wenzel. Sollten sie von unabhängiger Seite bestätigt werden, „hat das weitreichende Folgen für das laufende Verfahren und bisherige Einschätzungen zu Gefahren der Elbvertiefung“, sagt Wenzel. Von der schwarz-gelben Landesregierung, die ebenfalls nachdrücklich auf Deichsicherheit pocht, verlangt er eine Unterrichtung im Umweltausschuss über das Ausmaß der Schäden an den Elbdeichen.