: Der Reiz des Nordens
Nord-Grüne gemeinsam für neunjährige Grundschule: Für eine Schule nach dänischem Vorbild, ohne Sitzenbleiben und Aufgliederung nach Klasse 4
aus Hamburg KAIJA KUTTER
Gestern fand im Hamburger Rathaus eine Premiere statt. Vier grüne Landesverbände schlossen sich nach einem „grünen Bildungsgipfel“ der von der Hamburger Schulpolitikerin Christa Goetsch im Herbst initiierten Kampagne „9 macht klug“ an. Dahinter verbirgt sich die Idee einer gemeinsamen neunjährigen Grundschule nach Vorbild der skandinavischen Pisa-Sieger, in der die Kinder nicht früh nach Schularten sortiert, sondern gemeinsam nach individuellen Lernplänen unterrichtet werden.
„Ich wünsche mir, dass wir nicht mehr unsere Kinder in dänische Schulen schicken müssen“, scherzte Goetsch, nachdem ihr schleswig-holsteinischer Kollege Karl-Martin Henschel berichtet hatte, dass in seinem Land 90 Prozent der Grünen ihre Kinder auf die Schulen der dänischen Minderheit schicken. Die habe das dreigliedrige Schulsystem schon abgeschafft.
Nicht ganz so weitgehend, aber doch beachtlich sind die Folgen, die das von Rot-Grün regierte Schleswig-Holstein aus Pisa zog. Laut Hentschel werden dort künftig individuelle Lehrpläne für jeden schwachen und starken Schüler erarbeitet, außerdem dürfen Gymnasien Schüler ab Klasse 7 nicht mehr fortschicken. Ein gesondertes Projekt soll zudem das Sitzenbleiben reduzieren.
Das gefürchtete Backenbleiben gäbe es auch in der grünen Traumschule nicht mehr, die die vier Nord-Verbände binnen zwei, drei Legislaturen in neun Schritten auf den Weg bringen wollen, angefangen mit einem kostenlosen Bildungsjahr für alle Fünfjährigen.
Die vier Grünen fordern mehr Geld für die Bildung. Da aber ihre neue Schule das vielgliedrige Schulsystem vereinfacht, würden auch Ressourcen frei. Hentschel rechnete vor, dass allein in Schleswig-Holstein durch Abschaffung des Sitzenbleibens und Zusammenfassung von Schultypen rund 3.000 der 20.000 Lehrerstellen des Nord-Landes frei würden, die in bessere individuelle Förderung investiert werden können.
Zu ihrem Leidwesen konnten die grünen Politiker aus den konservativ-bürgerlich regierten Ländern Niedersachen, Bremen und Hamburg nur von neuen Schulgesetzen berichten, die das dreigliedrige Schulsystem just wieder verschärfen. Doch die Grünen haben für ihre Vision gewichtige Bündnispartner wie die Handwerkskammern oder die Unternehmensberatungsfirma McKinsey, die kürzlich in einer Studie feststellte, dass Deutschland „viel zu viel Geld für die Reparaturen des Schulsystems ausgibt“, wie die Bremer Grüne Anja Stahmann erklärte.
Nötig, so die vier Grünen, sei zudem die Abschaffung eines Kultuministerbeschlusses von 1993, der alle Schulen zur Schulartensortierung zwingt. Auch die Gesamtschulen sind so zu einem internen Kurssystem gezwungen, das einer individuellen Förderung im Weg steht.
Gut hat es da manche Dorfschule auf dem Land, die so klein ist, dass sie gezwungen ist, bunt gemischt zu unterrichten. Diese Schulen hätten „überdurchschnittlichen Erfolg“, die Kinder lernten von Anfang an, selbstständig zu arbeiten, berichtet Henschel. „Etwas, was andere erst in der Oberstufe beginnen.“