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Archiv-Artikel

innovation heißt jetzt haltung Das hält der größte Held nicht aus

Die allgemein und von der SPD im Speziellen ausgerufene Bildungsoffensive geht nun den Kindern an den Geist. Ästhetische Erziehung heißt die neueste Mission im Jahr der Innovation

Man muss es ja einfach mal sagen: Es geht hier um nichts weniger als um „Deutschland“, um „Halt und Haltung“ und um die „echten Helden und Vorbilder“, die „das Gesetz des guten Tons verteidigen“ sollen. Christina Weiss, Kulturstaatsministerin des Bundes, findet jedenfalls, dass sie das sagen und aufschreiben musste. Und zwar im Vorwort eines gestern präsentierten Buchs: „Kinder zum Olymp“ heißt es, eine beispielhafte Handlungsanweisung für Kulturinstitutionen, Künstler und Schulen soll sie sein. Denn, so behauptet die Kulturstiftung der Länder, die Kinder hätten den „Draht“ zu Kunst und Kultur verloren. Wogegen nur eines hülfe: ästhetische Bildung. 85 Projekte sind darin nachzulesen.

Das Jahr der Innovation lässt also auch die Kunst und Kultur nicht verschont. Christina Weiss, zwar parteilos, aber ganz im Dienste des Fortschritts, ebenso wie die Kulturstiftung, möchte den erhofften Aufschwung mit befördern. Dagegen wäre nichts einzuwenden, wenn nicht aufs Neue Versatzstücke aus philosophischen Traditionen mit wirtschaftlichen, politischen und schließlich sogar nationalen Interessen zu einer großen PR-Aktion verquirlt würden.

Ähnlich wie in der Diskussion um die gezielte Förderung von Eliten richtet sich diese Aktion, wörtlich nachzulesen, an die „Entscheider von morgen“, an ihre Förderung. Per Theaterbesuch zum besseren Menschen von morgen. Und dann: Haltung bitte! Das hätte selbst die radikalste „geistig-moralische“ Wende nicht zu behaupten gewagt. Schöne neue Sozialdemokratie. Dagegen spricht nur noch die „ästhetische Erziehung“ selbst: Sowohl bei Schiller als auch bei Kant ist sie als „zweckfreies“ Projekt gedacht, als „interesseloses Wohlgefallen“. Von „Helden“ und „Entscheidern“ keine Spur.

SUSANNE LANG