: 19 Euro für ein gutes Gefühl
Putzfrauen und Babysitterinnen sollen neuerdings bei der Minijobzentrale angemeldet werden. Doch der Ablasshandel mit dem schlechten Gewissen geht nicht auf. Ein Lagebericht
VON GABY STRECKFUS
Die Frage ist ein Dauerbrenner in unsrer Reihenhaussiedlung in Berlin: „Was ist eigentlich ‚gute‘ und was ist ‚schlechte‘ Schwarzarbeit?“ Bei Putzfrauen und Babysitterinnen gibt es unter Nachbarn den „Augenzwinker-Effekt“, soll heißen: also das machen wir doch alle. Sind jedoch polnische Wortfetzen zu hören oder gehen allzu viel schwarz gelockte Männer ein und aus, wenn ein Nachbar renoviert, dann fängt das Gifteln an: „Typisch Schwarzarbeiter. Die sollte man anzeigen.“
Sowohl zum Augenzwinkern als auch zur moralischen Entrüstung liefert jetzt Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) neue Munition. Er hat einen Gesetzentwurf angekündigt, nach dem die Schwarzarbeit härter verfolgt werden soll. Nicht nur in der freien Wirtschaft, auch in Privathaushalten soll es schärfer zur Sache gehen. Wer privat handwerkern, babysitten oder putzen lässt und dafür weder Steuern noch Sozialabgaben zahlt, dem droht ein Bußgeld von mindestens 1.500 Euro.
Zehntausende von ängstlichen AnruferInnen meldeten sich daraufhin in den vergangenen Tagen in der neuen Minijobzentrale, um ihre privaten Haushaltshilfen offiziell registrieren zu lassen. Dabei ist die Panik unnötig. Denn erstens gibt es auch jetzt schon Bußgelder in Höhe von bis zu 5.000 Euro für schwarz arbeitende Haushaltshilfen. Es verhängt sie nur niemand. Und zweitens richtete sich die Ankündigung Eichels zuvorderst gegen Schwarzarbeit auf dem Bau. Bei Privathaushalten wolle man vor allem das „Unrechtsbewusstsein“ schärfen, sagte seine Staatssekretärin.
Doch mit dem Unrechtsbewusstsein gegenüber schwarz arbeitenden Putzhilfen oder Tagesmüttern ist es nicht weit her. „Was hätten wir davon, Lisa offiziell anzumelden? Gar nichts“, sagt unsere Nachbarin N. über ihre polnische Putzhilfe. Lisa kommt bei N. und uns jeweils einmal die Woche für vier Stunden zum Saubermachen. Wir zahlen bar auf die Hand, neun Euro die Stunde, das ist „über Tarif“, wie N. immer wieder betont. Putzhilfen erhalten in der Hauptstadt sonst angeblich 7,50 Euro die Stunde, aber es gehört zur Arbeitgeberattitüde in bürgerlich-linken Bekanntenkreisen, sich für besonders „sozial“ zu halten und etwas mehr als „die andern“ zu zahlen.
Würden wir Lisa jetzt bei der Minijobzentrale in Essen als „geringfügig Beschäftigte“ anmelden, so wäre das wie eine Spende an die Sozialkassen. Wir müssten für unsre Putzhilfe monatlich 12 Prozent Abgaben an die Bundesknappschaft zahlen, das wären 19 Euro im Monat. Lisa hätte so gut wie nichts davon, die Anmeldung bei der Minijobzentrale verschafft den Beschäftigten nicht mal eine eigene Krankenversicherung. 19 Euro für das gute Gewissen der Arbeitgeber? Die Rechnung geht nicht auf. Auch die Kinderbetreuerinnen bei Familie U. und M. gegenüber arbeiten weiterhin schwarz.
Trotzdem sind wir etwas vorsichtiger geworden, man merkt es an den Gesprächen. Schließlich wohnt vier Häuser weiter die Familie R., und Hilde R. arbeitet bei der Kripo, „Wikri“, um genau zu sein, „Wirtschaftskriminalität“. Sie hat schon viele Razzien geleitet. Wir wollen sie nicht in moralische Schwierigkeiten bringen. Das Thema Putzhilfe und Tagesmütter schneiden wir deshalb bei den R.s nicht mehr an. Man kann ja nie wissen.