: „Imperiale Demokratie“
In der Villa Ichon stellte der Jurist Ulrich K. Preuß sein Buch zum Wandel bewaffneter Gewalt vor. Es folgte eine spannende Diskussion über Amerikas Rolle
taz ■ Der schöne Versammlungsraum in der Villa Ichon war am Sonntag übervoll. Die zumeist grauhaarigen Männer sahen aus, als hätten sie vor drei Jahrzehnten gemeinsam demonstriert, vielleicht als der Slogan „USA – SA – SS“ populär war. Gestern nun sprachen sie über ihr Verhältnis zu „Amerika“. Anlass war die Buchvorstellung des Berliner Politkprofessors Ulrich K. Preuß, auch ein 68er und früher in Bremen aktiv. Er las aus seinem Buch „Krieg, Verbrechen, Blasphemie“, ein Versuch, die „Starre“ nach dem 11. September 2001 in einen Diskurs über Völkerrecht und Krieg zu überführen. Preuß hat inzwischen positive Assoziationen zu Amerika, viele alte Weggefährten nicht – das machte das Spannende an der Begegnung aus.
Preuß’ Buch beginnt provozierend mit der biblischen Figur des Hiob: Der Unschuldige, Gerechte, Gute erfährt maßloses Leid. „Viele Amerikaner verstehen die Welt nicht mehr“, übersetzte er das Gleichnis. Preuß will verstehen. Er akzeptiert, dass der Anschlag auf das World Trade Center etwas Neues ist: Kein Krieg war das und auch kein „Verbrechen“, das in einem geordneten Verfahren zu sühnen wäre. „Es gibt eine dritte Möglichkeit des Begreifens“, sagt er, eine die den „Schauer des Schreckens“ bewahrt: „die Erkenntnis, dass wir in diesem Ereignis dem Bösen selbst begegnet sind“.
Amerika sei eine „imperiale Macht“, der die innere Volkssouveränität wichtiger ist als die äußere Souveränität. Aber diese imperiale Macht sei nicht skrupellos in ihrem Herrschaftsanspruch, wie zuletzt noch die sowjetische. Sie sei, sagt Preuß, im Inneren von demokratischen Werten getragen – eine „demokratische imperiale Macht“.
Preuß sieht auch vor diesem Hintergrund eine Chance für ein neues Völkerrecht, das Diktatoren nicht mehr unter dem Etikett der „Staatssouveränität“ schützt, wie es das alte europäische Völkerrecht getan habe.
Er wäre an diesem Sonntag auf heftigere Kritik gestoßen, hätte er nicht noch aus einem neuen Kapitel, das der zweiten Buchauflage hinzugefügt werden soll, seine deutliche Ablehnung des Präventivkrieges gegen das irakische Regime vorgetragen. Der Bremer Historiker Immanuel Geiss fasste die Skepsis, die viele dem Entwurf von Preuß entgegenbrachten, so zusammen: „Keine Weltmacht wird es schaffen, diese Welt mit Bomben nach ihrem Bilde umzukrempeln.“
Klaus Wolschner