piwik no script img

Archiv-Artikel

Bleibt in der Familie

„Gute Nacht, John-Boy“: Kabel 1, der Sender für gebrauchte Waren, wiederholt ab heute „Die Waltons“ – alle 219 Episoden (13.20 Uhr)

VON SILKE BURMESTER

„Das Beste war, als das Haus in Flammen stand. Als alles brannte – da war wirklich was los. Überall war Feuerwehr. Und manchmal wusste man gar nicht, wer noch im Haus war.“ Wenn Kami Cotler vom Feuer erzählt, das ihr elterliches Haus in Schutt und Asche zu legen drohte, wird sie lebendig. Als ginge es um den schönsten Tag in ihrem Leben, spricht die 38-Jährige von jenem Drehtag, der die Heimstatt der Geborgenheit bedrohte: das Familienhaus der Waltons. Unklar ist, wer jetzt spricht – die Schauspielerin oder „Elizabeth“ das süße Walton-Mädchen mit den roten Haaren und den Sommersprossen.

Kabel 1 hat anlässlich der Wiederholung der Fernsehserie „Die Waltons“ die noch lebenden Darsteller nach Hamburg einfliegen lassen. Und es ist, als träfe man Verwandte, die man lange nicht gesehen hat. Bis auf die Oberhäupter Vater John und dem eigentlichen Star der Serie, „John-Boy“, sind alle da: Mutter Olivia, die älteste Tochter Mary-Ellen, Jason, Ben und Jim-Bob, Erin und eben Elizabeth. Sie sitzen sie an einem langen Tisch, in der Mitte die Patriarchin, rechts die Männer, links die Frauen.

Die traurigste Erkenntnis: Michael Learned, die einst so attraktive, Persönlichkeit ausstrahlende Olivia Walton hat ihr schätzungsweise 65-jähriges Gesicht bis zur Unkenntlichkeit operieren lassen – und ist bei aller Mühe nicht wiederzuerkennen.

Ansonsten ist es fast so, wie man es in Erinnerung hat: Jim-Bob bekommt den Mund nicht auf, Ben gibt den Kasper, Erin freut sich über die Beachtung und Elizabeth nutzt ihren Nesthäckchenstatus, um alles zu dominieren. Nur Judy Norton-Taylor will ihrer Mary-Ellen-Rolle nicht gerecht werden und hüllt sich in Schwiegen. Den Tag zuvor waren sie bei Stefan Raab und klapperten für die Wiederholung der 30 Jahre alten Serie.

Für die Darsteller mag so ein Europatrip eine willkommene Abwechslung sein. Zwar hat es zwischenzeitig „Specials“ für das amerikanische Publikum gegeben, doch außer bei John-Boy-Darsteller Richard Thomson konnte oder wollte kaum einer als Schauspieler Fuß fassen: Eric Scott wurde Spediteur. David W. Harper sein Mitarbeiter. Kami Cotler ist Lehrerin. Judy Norton Taylor firmiert als Scientologin.

„Es kamen immer mehr Anfragen, die Sendung zu wiederholen“, heißt es beim Sender. Die Saga spielt in den USA der Dreißigerjahre, zur Zeit der Depression, und nur der Wert und die klare Struktur der Familie gibt den Einzelnen die Kraft und den Stolz, die schwierige Zeit zu meistern.

Für Michael Learned sind sie alle „meine Kinder“. Mary Elizabeth McDonough berichtet vom regen Kontakt untereinander. „Wir sehen uns ständig“, sagt sie. „Zum Teil wohnen wir in der Nähe, unsere Kinder spielen zusammen.“ Außerdem nähmen sie viel Anteil am Leben der anderen. An den „Hochzeiten, Geburten, Scheidungen“.

Es ist offensichtlich, dass weder die Darsteller noch das Publikum es geschafft haben, sich von der Familie Walton zu verabschieden. Da mag das Herabbrennen des Elternhauses ein befriedigender Akt sein.