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: Beste Stimmung auf Bestellung

Die Fans des Pleite gegangenen Fußballvereins Göttingen 05 kann man jetzt mieten. Interessenten gibt es reichlich

Den Traditionsverein Göttingen 05, früher durchaus eine Top-Adresse in Norddeutschland und 1974 immerhin Gründungsmitglied der 2. Fußball-Bundesliga, gibt es nicht mehr. Mit mehr als drei Millionen Euro Schulden musste der Club Insolvenz anmelden. Ende des vergangenen Jahres wurde der 1. SC Göttingen 05 aus dem Vereinsregister gestrichen, das Konkursverfahren ist mangels Masse eingestellt.

Der Verein ist also tot, die Fans aber wollen leben. „Für ein Bier und eine Bratwurst pro Mann können andere Clubs uns jetzt mieten“, sagt Chrissi vom Fan-Club „Leinetal-Rebellen“. Die Idee entstand vor ein paar Wochen beim Kummer-Besäufnis. Seit sie das Vorhaben auf ihrer Internetseite (www.goettingen05fans.de) bekannt gemacht haben, steht das Telefon bei den 05-Fans nicht mehr still.

Als Erste orderten die Niedersachsen-Ligisten Germania Leer und MTV Wolfenbüttel Unterstützung in Göttingen, feste Termine für Auftritte der 05-Fans sind bereits vereinbart. Inzwischen gibt es Anfragen aus ganz Norddeutschland, erzählt Philipp vom Fan-Club „Cider-Boiz“. Beim SV Bosfeld, nahe Osnabrück gelegen, hat demnächst der Präsident Geburtstag, „da sollen wir das Geburtstagsgeschenk sein“. Und auch die Deutsche Post bat schon um akustische Hilfe für ein Hallenturnier. Berührungsängste haben die Göttinger Fans nicht, nur für den alten Konkurrenten Eintracht Braunschweig würden sie „auch auf Bestellung niemals jubeln“.

„Wir haben alles Mögliche drauf“, sagt Sauer (Cider-Boiz) auf die Frage, was den Kunden geboten wird. Eigens gestaltete Transparente und Banner natürlich, originelle Sprechchöre und selbst getextete Lieder. „Jedenfalls nicht dieses Standard-Zeugs, das man in jedem Stadion hört und wo einfach nur der Vereinsname oder Elbe gegen Isar eingetauscht wird.“ Sie könnten auch richtig südländische Atmosphäre, versichert Sauer. „Das kostet aber einen kleinen Aufschlag.“ Für die Spiele von Leer und Wolfenbüttel haben sich die Göttinger Fans schon erste Gedanken gemacht. Bei Wolfenbüttel, so Sauer, „machen wir ein spezielles Spruchband, irgendwas mit Mast und Jägermeister“.

Bei ihren Auftritten in der Fremde, betont Chrissie, „wollen wir immer auch 05-Fans bleiben. Wir haben schließlich einen guten Ruf zu verteidigen“. Wenn bei den Spielen von Göttingen 05 ein Zuschauer Gästespieler mit „Neger“ oder „Zigeuner“ titulierte, intervenierten die Fans – freundlich, aber bestimmt. „Diese Art von Fan-Kultur wollen wir nach außen tragen“, sagt Sauer, „davon wollen wir etwas abgeben.“

Die Göttinger Fans geben ein ebenso informatives wie unterhaltsames Magazin heraus (Der schlafende Riese), sie produzieren für den Bürgerfunk des Stadt-Radios eine eigene Sendung und haben einen ansprechenden Internet-Auftritt. Im vergangenen Jahr holten sie die Ausstellung „Tatort Stadion“ ins Rathaus, die Gewalt in den Arenen und die Rekrutierungsversuche von Neonazis unter Fußballfans anprangert. Und natürlich sind sie auch Mitglied im „Bundeskongress Aktiver Fußball-Fans“ (Baff), dem Dachverband von Fan-Initiativen aus ganz Deutschland, die gegen Rassismus und zu viele Sitzplätze in den Stadien angehen.

Die Fremdgeherei ist indes befristet, die Göttinger Fans lassen sich nur in dieser Saison mieten. Aus den Trümmern der Konkursmasse des 1. SC Göttingen 05 ist nämlich bereits ein neuer Verein entstanden, der 1. FC Göttingen 05. Die Herrenmannschaft und die A-Junioren werden wahrscheinlich im kommenden Sommer spielberechtigt sein. „Egal in welcher Liga“, stellt Phillip klar, „nächste Saison gehen wir auf jeden Fall wieder zu 05.“

REIMAR PAUL