Ausgrenzung, zweifach und bruchlos

Ein Stück Frauengeschichte, präsentiert zum 8. März: Die Dokumentation „Was hat Hamburg bloß mit Euch Frauen gemacht?“ beschäftigt sich mit Verfolgungen aus sozialen Gründen, aber auch mit den Täterinnen

Den Internationalen Frauentag begeht das Metropolis-Kino in Zusammenarbeit mit der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes mit einer Sonderveranstaltung – allerdings einen Tag nach dem 8. März. Gezeigt wird am Sonntag die Dokumentation Was hat Hamburg bloß mit Euch Frauen gemacht?. Der 1992 realisierte Film zeigt ein vergessenes Kapitel in der Geschichte deutscher Fürsorge, den Verlauf der Verfolgung von Frauen aus sozialen Gründen während der NS-Zeit.

Drei Hamburgerinnen berichten über ihr Schicksal, das sie auf Betreiben der Fürsorgeämter über Heime und Arbeitshäuser teilweise bis in Konzentrationslager brachte. Begründungen für die Erfassung und Verfolgung lauteten auf „asozial“, „minderwertig“ oder „moralisch schwachsinnig“. Damit befasste „Erbgesundheitsgerichte“ waren für die Zwangssterilisationen verantwortlich, der allein in Hamburg bis zu 30.000 Menschen zum Opfer fielen. Auch die im Film porträtierten Zeitzeuginnen sind aufgrund des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ vom Januar 1934 zwangssterilisiert worden.

Im Gegensatz zu allgemein verbreiteten Vorstellungen hat diese nationalsozialistische Fürsorgepolitik jedoch keinen Bruch bedeutet. So, wie die Hamburger Institutionen sich nach 1933 nahtlos in die Aussonderungs- und Vernichtungspolitik des NS-Regimes eingegliedert haben, gingen die TäterInnen nach 1945 einfach zur Tagesordnung über. Die Hamburger Sozialpolitikerin Käthe Petersen beispielsweise war maßgeblich seit 1934 an der Institutionalisierung der so genannten Sammelpflegschaften beteiligt, die sehr bald als unmittelbare Vorstufe für Zwangssterilisationen fungierten. Seit 1948 war sie dann unangefochten Leiterin des Landesfürsorgeamts Hamburg.

Der Film berührt auch Bedingungen der Rekonstruktion geschichtlichen Erinnerns unter dem Vorzeichen der Auseinandersetzung um Gedächtnis und Geschlechterdifferenz, die seit Ende der 80er Jahre forciert wurde. Denn die im Film thematisierte Existenz von Lager- bzw. Häftlingsbordellen unter anderem im KZ Neuengamme, in die auch Opfer der Hamburger Fürsorgepolitik gezwungen wurden, war lange tabuisiert. Die jahrzehntelang überwiegend männlich besetzte Forschungsperspektive hat zu einer doppelten Ausgrenzung geführt: ohne Aussicht auf eine zumindest symbolische Entschädigung und eine öffentliche Rehabilitation als Opfer, wurden die verfolgten Frauen auch im Gedächtnis des Erinnerungskollektiv der Überlebenden „vergessen“.

Der Internationale Frauentag ist auch Anlass der Initiatorinnen des Films, in einer Gedenkkundgebung am 9. März an jene überwiegend aus der Ukraine und Weißrussland stammenden Frauen zu erinnern, die als Zwangsarbeiterinnen des Hamburger Radioröhrenwerks Valvo 1943 ums Leben kamen, da man ihnen den Zugang zu sicheren Luftschutzräumen verwehrte.

Andreas Blechschmidt

So, 15 Uhr, MetropolisKundgebung: So, 11 Uhr, Friedhof Ohlsdorf bei der Kapelle 13, Komplex Zwangsarbeitergräber, Sorbusallee