: Ein Herz für Väter
In seinem neuesten Buch bricht der Bremer Geschlechterforscher Gerhard Amendt eine Lanze für Scheidungsväter
Bremen taz ■ „Scheidungsväter“ heißt das neueste Buch des Bremer Soziologie-Professors Gerhard Amendt (Foto) ganz schlicht. Kein Untertitel, kein Bindestrich, keine weitere Einschränkung, kein Satzzeichen, nichts, was die Aufmerksamkeit noch auf irgendetwas anderes richtet, auf „die Gesellschaft“ etwa oder „die Rechtssprechung“. Amendt macht es ganz deutlich: Er stellt die Väter und ihr Erleben einer Scheidung oder Trennung in den Mittelpunkt. Mit seiner jetzt veröffentlichten nicht-repräsentativen Studie würde er etwas tun, was vor ihm noch niemand in den Sinn gekommen sei, so Amendt: Endlich auch mal den Männern zuhören. Nicht nur die Wissenschaft, sondern auch die Gesellschaft würde Scheidungsväter nur in einer Hinsicht betrachten: ob sie zahlen oder nicht.
Amendt nimmt dagegen für sich in Anspruch, sich mit seinem Forschungsteam als Erster im deutschsprachigen Raum ohne Vorurteile den Männern genähert zu haben und sie „ihre Wahrheit“ schildern zu lassen. Immerhin 3.600 Männer haben einen im Internet abrufbaren Fragebogen ausgefüllt. Einige Fälle werden in dem Buch exemplarisch dargestellt, wobei gleich der erste deutlich macht, dass die „kritische Solidarität“, die Amendt und sein Team den Interviewten entgegengebracht haben, sehr weit geht. Obwohl Amendt sagt, dass er die Schilderungen der Männer nicht bewerten wolle und es nicht um Gewinner und Verlierer gehen soll, wird „Herr Wagner“ gelobt für sein geschicktes Vorgehen im Kampf um das Unterhaltsrecht für seine Tochter. Es sei ihm „gelungen, nicht zum Spielball von Justiz, Gutachtern und Sozialpädagoginnen zu werden“. Herr Wagner wird als jemand beschrieben, der „einen kühlen Kopf“ bewahrt, „alles im Griff“ hat, „durch Selbstbeherrschung glänzt“, die „Instrumente beherrscht“ und „frei gewordene Räume für sich und das Mädchen zu nutzen weiß“. Auch dass Herr Wagner sagt, der Kampf um seine Tochter sei „sein größter geschäftlicher Erfolg“ gewesen, wird unkommentiert stehen gelassen.
Herr Wagner ist allerdings ein offensichtlicher Ausnahmefall, denn die meisten Männer, die an der Studie teilgenommen haben, erlebten ihre Scheidung und das Verhältnis zu ihren Kindern als problematisch, so der Geschlechterforscher. 23,7 Prozent der Befragten hatten nach der Trennung keinen Kontakt mehr zu ihren Kindern, eine Zahl, die auch repräsentative Studien bestätigen würden. Die Gründe dafür seien verschieden – reines Desinteresse an den Nachkommen sei allerdings keinem nachgewiesen worden. Ein Problem, das viele Männer offenbar ohne Hilfe nicht gelöst bekommen: die mangelnde Erfahrung im Umgang mit ihren Kindern. Vor allem diejenigen, die sich vor der Scheidung auf ihre Rolle als Ernährer beschränkt haben, seien überfordert, wenn sie dann einen Tag mit den Kindern verbringen sollen. „Die wissen nicht, wie sie die Besuchszeit füllen sollen“, so Amendt. Deshalb fordert der Wissenschaftler mehr Beratungsmöglichkeiten für Väter, aber auch für Paare, die sich scheiden lassen. „Dafür muss man darüber nachdenken, ob Rechtsanwälte die richtigen Scheidungsbegleiter sind“, gibt Amendt zu bedenken. Durch diese würde nämlich sehr schnell eine Verlierer-Sieger-Mentalität das Verhältnis bestimmen. Beratungsbedarf sieht Amendt auch für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Jugendämtern, die für die Probleme von Vätern selten ein offenes Ohr haben, sondern diesen sogar feindselig begegnen. Eiken Bruhn
Gerhard Amendt: „Scheidungsväter“. Zu beziehen über das Institut für Geschlechter- und Generationenforschung (IGG). Homepage: www.igg.uni-bremen.de, ☎ 069 94 50 87 52.