berliner szenen Freunde und Helfer (III)

David Lynch revisited

Die Nacht hat ihren dunkelsten Moment überlebt, und es ist schön, wieder in Berlin zu sein. In acht Stunden vom tiefen Süden durch das ganze Land über freie, endlose Autobahn, begleitet von Lou Reed und Nico, Zigaretten und süßen Dosengetränken. Angenehmer kann eine Reise durch Deutschland kaum sein.

Auf der Leipziger schieben sich ein paar müde Taxifahrer von einer roten Ampel zur nächsten. Gleich zu Hause. Im Tunnel unter dem Alexanderplatz zuckt ein oranges Licht. Die Warnblickanlage eines schwarzen Passats. Rechts an der Wand zieht sich ein Streifen Weiß über den Beton. Die Farbe kommt von einem halb gedreht auf der Farbahn stehendem Porsche Targa. Die Motorhaube ist aufgesprungen. Ein Knäuel aus Blech. „Die sind hier mit mindestens 100 reingerast“, so der Passat-Fahrer, ein solide aussehender Ostberliner. Seine Stimme haspelt. Nein, nicht verletzt, sagt er. Nur erschrocken. Die Polizei hat er angerufen.

Im Unfallwagen sitzt eine Marilyn-Manson-artige Person, die Hände noch am Lenkrad, Augen starr geöffnet. Daneben langes blondes Haar in die Knie vergraben. Die Fenster an der Seite und der Front sind gesplittert. Überall liegen kleine Glassteinchen. „Alles o.k., seid ihr verletzt?“ Kein Blut zu sehen. Der Passat-Fahrer telefoniert mit seiner Frau. Die blonden Haare gehören zu einem sehr schönen Mädchen. Tränen laufen ihr über die Wangen. Sie will die Türe öffnen. Das geht nicht, der Rahmen ist verbogen. Sie tastet an ihren Füßen. Ihr Arm, an dem ein breiter roter Kratzer die helle Haut verletzt, streckt vier blaue Drogen-Briefchen durch das Fenster. „Kannst du die wegbringen, bitte?“ Von fern tönen Sirenen. Sie werden gleich da sein. Ich steige ins Auto und fahre nach Hause.

HENNING KOBER