piwik no script img

Archiv-Artikel

Nichts wie hierbleiben

Immer weniger Berliner wollen in die Ferien fliegen. Gründe sind Angst vor Krieg und die schlechte Wirtschaftslage. Veranstalter hoffen auf die heute beginnende Internationale Tourismusbörse

von RICHARD ROTHER

„Nichts wie weg“, „das Schöne an Deutschland ist, dass man so billig ins Ausland fliegen kann“ – die Slogans der Werbestrategen der Tourismus-Industrie ziehen kaum noch. Immer weniger Berliner wollen in diesem Frühling Urlaub buchen. Der Grund: wegen eines möglichen Irakkrieges ist ihnen die Reiselust vergangen, und ihre Portemonnaies sind leer. Die Reiseveranstalter hoffen jetzt, dass die am Freitag in den Messehallen am Funkturm beginnende Internationale Tourismusbörse (ITB) das Geschäft wieder beleben kann.

Peter Krawczack, Regionalsprecher des Deutschen Reisebüro- und Reiseveranstalterverbandes, ist besorgt: „Es gibt einen erheblichen Rückgang, was das Buchungsverhalten angeht.“ Die Geschäfte liefen deutlich schlechter als im vergangenen Jahr. In manchen Reisebüros herrsche „erschreckende Ruhe“.

Die außenpolitische Lage spielt bei Verkaufsgesprächen fast immer eine Rolle. Viele Kunden, so Krawczack, fragten: „Können wir da überhaupt noch hinfliegen?“ Die tödlichen Anschläge auf Touristen auf Djerba und Bali, die von islamistischen Terrorgruppen verübt wurden, tragen ebenfalls zur Verunsicherung bei. Die Reiseziele sind allerdings unterschiedlich betroffen. Während die Kunden bei Ägypten und der Türkei Zurückhaltung üben, werden die Kanarischen Inseln sogar mit zusätzlichen Flügen angesteuert. Und im Sommer könnten Badeziele profitieren, die die Berliner leicht mit dem Zug oder Auto ansteuern können – die Ostsee etwa, oder Italien und Kroatien.

Die Reisebranche befindet sich dennoch nach Ansicht von Tourismus-Experten in einer Doppelkrise. „Zum Irakkonflikt kommt die Konjunkturkrise, die nach einiger Verzögerung auch im Tourismus voll eingeschlagen hat“, heißt es. „Bei den Menschen ist Bescheidenheit angesagt, und gegen diese Grundstimmung ist nur schwer anzukommen.“

Dorothea Hohn vom Buchungssystem Start Amadeus, über das etwa 85 Prozent der deutschen Reisebüros ihre Geschäfte abwickeln, bestätigt diesen Trend. Gegenüber den ohnehin schon sehr schwachen Monaten Januar und Februar 2002 seien die Buchungen für den Flugbereich um 7,7 Prozent zurückgegangen. Die Lage in der Touristik sei noch dramatischer. Start Amadeus registrierte gut 13 Prozent weniger Buchungen im Vergleich zu 2001. Solche Zahlen dürften sich ähnlich in den Büchern der Veranstalter wiederfinden.

Kritisch ist die Lage aber nicht nur für Berliner Reisebüros; auch die hiesige Tourismuswirtschaft befürchte die Folgen eines möglichen Krieges. „Im Falle eines Krieges würden viele Amerikaner wieder wegbleiben“, sagt Natascha Kompatzki, Sprecherin der Berlin Tourismus Marketing GmbH. Dies wäre umso bedauerlicher, da nach dem Einbruch in Folge des 11. September die amerikanischen Tourisen sukzessive zurückgekommen seien. Noch im Dezember habe es ein Plus von knapp 19 Prozent gegenüber dem Dezember 2001 gegeben. „Unsere Strategie, in den USA präsent zu bleiben, hat sich ausgezahlt.“

Hoffnungen setzt die Branche jetzt auf die ITB. Dort wollen die Tourismus-Manager auch Krisenpläne für den Fall eines Kriegsausbruches diskutieren. So könnten möglicherweise gefährdete Urlauber evakuiert werden, oder es sollen unbürokratische Umbuchungen auf andere Ziele ermöglicht werden.